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: HELMUT HÖGE über den „PR-Mann fürs Grobe“

Im Personalkarussell

Überall trifft man jetzt auf Start-ups hinein in die Neuen Medien. Der Bundesdruckerei gingen zeitweilig schon die Presseausweise aus.

Mein ehemaliger Studienkollege Meinhard macht jetzt ebenfalls einen auf Journalismus. Lange Jahre hat er sich als Diplompsychologe – bis nach Poona – durchgeschlagen. Und nun ist er Chefredakteur eines Magazins für Natursektliebhaber, von Insidern scherzhaft „www-ns-info.de“ genannt. Von den gegen rechtsradikales Gedankengut in den Neuen Medien vorgehenden Behörden wird seine „Wet Page der Pisser“ (Branchenjargon) denn auch als harmlos eingeschätzt. Auch der Chefredakteur selbst sieht seinen neuen Job gelassen: „Für mich ist dieses ganze NS-Zeug eine Perversion wie jede andere auch – eine liebevolle Macke“.

„Liebevoll?“ Ich bin erstaunt. Früher empfand ich schon die indische Heilmethode, bei der man die eigene Pisse trinken muss, als ziemlich masochistisch, um nicht zu sagen geschmacklos. Für Meinhard ist das Ganze jedoch sowieso nur ein „Sprungbrett“: Eigentlich will er – als „Pressesprecher“ – ins Erotikmessen-Geschäft einsteigen.

Es laufen bereits Verhandlungen mit einem libanesischen Ehepaar aus Essen, das „1001 Nacht“-Zubehör (aus China) offeriert. Während der „Venus“-Messe trafen sie sich in der Solf-Sauna am Bundesplatz in Wilmersdorf. Umgekehrt zog es den den Getriebebau-Ingenieur Siegmund über sein grünes Engagement zuerst zur Verkehrsplanungs-Kritik an die TU und dann – als Ökologie-Beauftragter – an die Messe für Straße und Schiene nach Köln, wo er sich insbesondere den Zulieferbetrieben für Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung widmete. Jetzt wurde Siegmund dort jedoch quasi vom Fleck weg als Herausgeber der Zeitschrift Radarwarnanlagen engagiert.

„Ist das nicht genau das Gegenteil?“, fragten wir, seine Freunde, ihn. Siggi faselte irgendetwas von „Balance“ und „Herausforderung“, gestand jedoch unter dem Siegel der Verschwiegenheit ein, dass er es eigentlich darauf abgesehen habe, über die Auto-Bild bis ins Flaggschiff Welt vorzustoßen, wo er es – „warum auch nicht“ – bis zum Feuilletonchef zu bringen hoffe: Dort gehe jetzt schon das ganz große Kugelstoßen los, so Siggi, den es eingestandenermaßen plötzlich mit Macht ins Zentrum zieht.

Auch von den ehemaligen taz-Praktikantinnen treffe ich immer öfter welche wieder, die als Regisseurin des Fernsehteams einer Produktionsfirma das Zeitgeschehen in schnelle, kurze „Beiträge“ bannen – zum Beispiel die Bären-Auktion Unter den Linden des ehemaligen Frankfurter Avantgarde-Künstlers Hörl.

Jedesmal bin ich aufs Neue erstaunt, wie ernsthaft sie plötzlich die ganze Sache angehen. Sie verausgaben sich quasi wie gehabt im Alltäglichen. Dazu hatte der Künstler Hörl bereits beizeiten gemeint: „Man kann nicht permanent mit Hightech-Philosophien unter Dampf stehen.“ Damals beschäftigte er sich mit Gartenzwergen.

Um Schrebergarten-Vereine – eher an der Peripherie – geht es jetzt bei dem neuen Job, den Gerd hat: am 1. Oktober fing er bei dem Privatsender „Kalau-TV“ als Reporter an. Der ehemalige taz-Medienredakteur hatte es zuvor bis in den Aufsichtsrat des Offenen Kanals und zum anerkannten „Medienberater“ gebracht. Über den ehemaligen Rowohlt-Lektor Naumann fand er dann sogar bei Gerhard Schröder Gehör. Dessen Formel „In der Demokratie spielen die Medien eine große Rolle“ soll angeblich sogar auf seine, Gerds, Grundidee zurückgehen, wobei aber noch ein weiterer ehemaliger taz-Redakteur eine Rolle gespielt habe.

Wie dem auch sei, als Reporter in der Lausitz vor Ort zu gehen, ist für Gerd wie von der Etappe an die Front versetzt zu werden, um dort das Medium von der Basis her zu entwickeln, wie er sagt – auch wenn der Sender gerade von einer westdeutschen Medien-Gruppe übernommen wurde: „Sonst hätten die mich da unten doch gar nicht bezahlen können!“