„Ohne taz schauen wir schön blöd“

taz-Abonnent Richard Kelber über seine ganz persönliche Abo-Aktion für die taz – und seine Gründe dafür

taz: Herr Kelber, Sie haben an zweihundert Leute einen Brief geschickt, in dem Sie für ein taz-Abo geworben haben.

Kelber: Ja, der Brief hatte den Titel: „Jeden Tag eine gute taz muss sein.“

Wer hat ihn bekommen?

Vor allem mein persönlicher Bekannten- und Freundeskreis. Aber auch Leute, von denen ich weiß, dass sie in Sachen Multikulti aktiv sind oder ein offenes Ohr für amnesty-Geschichten haben.

Wie reagieren die Leute?

Manche haben schon ein Abo, gehen aber eine Preisstufe rauf. Eine Abonnentin hat vier Knastabos à 100 Mark bestellt. Eine Frau, die ganz neu zur taz gekommen ist, hat auch gleich auf Ökostrom umgestellt. Und einer hat die Donnerstags-taz mit perșembe bestellt.

Werden Sie auch beschimpft?

Es gibt Leute, die sagen: Wenn Rudolf Augstein, Harald Schmidt und solche Leute für die taz werben, die dafür verantwortlich sind, dass es in Deutschland so ist, wie es ist, warum soll ich dann die taz lesen?

Was sagen Sie denen?

Denen schicke ich zum Beispiel den letzten sehr kritischen taz-Artikel über Augstein oder weniger lobende „Wahrheit“en über Schmidt. Da beweist die taz journalistische Unabhängigkeit.

Herr Kelber, das klingt alles sehr idyllisch. Sie leiden aber doch auch an der taz?

Ich habe mir weitestgehend abgewöhnt, am deutschen Journalismus zu leiden. Obwohl es grauenerregend ist, was so alles aus Zeitungen und Äther quillt.

Warum leiden Sie an der taz?

Ich leide, weil die taz mir ein historisches Versprechen gemacht hat, das sie nicht immer einlöst: dass der sorgfältige Umgang mit Sprache für einen sorgfältigen Umgang mit dem Gegenstand bürgt.

Was tut man Ihnen stattdessen an?

Häufig habe ich das Gefühl, dass jemand mal wieder nicht nur über die Grammatik stolpert, sondern auch über den Gegenstand.

Lieben Sie die taz auch manchmal?

Nein. Aber ich freue mich. Und das nicht mal so selten. Ein gutes Beispiel ist Irland. Da habe ich Interesse am Gegenstand gefunden, weil der Korrespondent Ralf Sotscheck darüber richtig gut schreibt. Vom genialen TOM mal ganz abgesehen.

Reden Sie weiter, bitte.

Immer, wenn ich echtes Interesse und souveränen Umgang mit dem Gegenstand feststelle, habe ich großen Spaß, auch wenn das Thema nicht lustig ist. Kordula Doerfler, Jutta Lietsch, Bettina Gaus: Was die schreiben, hat eine bewundernswerte Qualität. Und Jenni Zylka etwa . . .

. . . die Medienredakteurin . . .

. . . ist auch ein Gewinn. Bei deren Querschlägen muss ich regelmäßig schallend lachen.

Trotzdem hatten Sie Ihren Geno-Anteil gekündigt . . .

. . . und dann unter dem Eindruck des drohenden Endes einen neuen gezeichnet. Die Opposition ist das Ferment der Demokratie. Deshalb wird die taz dringend gebraucht. Wenn wir sie nicht mehr hätten, würden wir schön blöd aus der Wäsche gucken.

INTERVIEW: taz