bertelsmann kauft ein
: Die Macht der digitalen Kollektive

Es klingt wie frisch gedruckt aus den blauen Bänden, in denen wir nachgelesen haben, was es mit dem Kapitalismus auf sich hat. Monopole fressen Monopole, Bertelsmann schluckt EMI, nun sind beide größer als der bisher Größte und – haben wir es nicht immer befürchtet? – auch noch fest in deutscher Hand. Ein Imperium, dessen Verhängnis wir allerdings nicht mehr bei Karl Marx, sondern erst bei den Denkern der Frankfurter Schule richtig begriffen haben. Das Megamonopol nistet sich ein in unseren feinsten Empfindungen, vernebelt unser Gehör, bis wir seine total gewordene Herrschaft nicht mehr erkennen und die welthistorisch fällige Revolution aus den Augen verlieren.

Kommentarvon NIKLAUS HABLÜTZEL

Eine schöne Geschichte ist das, so recht geeignet für lange Winterabende. Sie ist sogar ein bisschen wahr, vor allem aber ist sie sehr alt. Sie stammt aus dem letzten Jahrhundert – dem 20. –, und deshalb kann man sie heute anders erzählen. Der Bertelsmann-Konzern selbst hat damit angefangen, mehr als alles andere zeichnet ihn das aus.

Doch der Zwang zur Bildung immer größerer Monopole ist längst nicht mehr das letzte Wort. Mag sein, dass der Kauf von EMI die alten Konkurrenten in Schach hält, die Herrschaft über den Musikmarkt haben alle zusammen längst verloren.

Weil Bertelsmann das weiß, hat der Konzern Anfang des Monats beschlossen, der kleinen kalifornischen Firma Napster Geld zu geben, um mit ihr zusammenarbeiten zu dürfen. Mehr nicht, denn es ist gar nicht möglich, Napster zu kaufen. Napster ist nur ein kostenloses Computerprogramm und eine Internetadresse. Wer sie anwählt, kann sich aus meheren Millionen Musik-Dateien der Napster-Gemeinde seinen Lieblingstitel aussuchen und auf den Computer laden. Es kostet nicht mehr als die Telefongebühren.

EMI ist Old Economy, Napster ist New Economy. Wie der Rest der Musikbranche hat auch Bertelsmann zunächst versucht, diesen Angriff aus dem Internet mit allen juristischen Mitteln abzuwehren. Aber es hat keinen Sinn. Man kann ebenso gut das Musikhören und den PC verbieten wollen. Noch weiß niemand, ob und wie die Zusammenarbeit zwischen dem Megakonzern und dem freien Netz der Musikfreunde gelingen wird. Fest steht nur, dass es der Konzern ist, der sich anpassen muss. Denn die Macht des neuen digitalen Kollektivs reicht sehr viel weiter als die Macht jedes Monopols. Irgendetwas in dieser Art hatten wir ja schließlich auch in den blauen Bänden gelesen.