Kritharaki zum Film

Kreisen um „Pathi“: Start der Griechischen Filmtage im Metropolis  ■ Von Stella und Vassilis Tsianos

Kritharaki, nein, das ist kein Filmtitel, sondern der unübersetzbare Name eines Nudelprodukts - ausgestellt in der Kino-Vitrine und empfohlen zur kulinarischen Verdauung der Grecofilmreihe, die von heute bis zum 29.11. im Metropolis zu bewundern ist. Auf Berlins Leinwänden gastieren jährlich die Griechischen Filmtage. Dieses Jahr expandiert das Projekt des Berliner Jugend und Kulturzentrums Filia (Freundschaft) auch nach Köln und Hamburg. Filia ist das erste selbstverwaltete griechisch-deutsche Jugendzentrum in Jermanía. Es wurde vor elf Jahren von heranwachsenden Grecomigranten der sogenannten zweiten Generation gegründet, die es satt hatten, sich die paternalistische Larmoyanz der Väter-Community à la „Wir-kehren-zurück“-Begleitsong zu ihren Lebensverhältnissen gefallen zu lassen. Was mit dem Zusatz „deutsch“ als bewusste Provokation anfing, entwickelte sich zu einem interkulturellen Zentrum, dessen Aufgabenbereiche das breite Spektrum an Sozialarbeit von und für migrantische Jugendliche umfasst.

Thematischer Schwerpunkt der Filmreihe sind die „Pathi“ (Leidenschaften). Zehn Filme werden präsentiert, darunter schwerer verdauliche wie Der Bienenzüchter und Rekonstruktion von Theodoros Angelopoulos oder Angelos von Giorgos Katakouzinos und nicht zuletzt Revanche von Nikolas Vergitsis, die zu den Klassikern des neugriechischen Kinos gehören. Die Filmreihe versucht vier Dekaden des griechischen Kinos zu dokumentieren und repräsentiert das, was in Athener Kreisen der Filmkritik unter dem Label „Das Kino des großen Gähnens“ als lebenslängliche Krise des neugriechischen Kinos verhandelt wird. Paradoxerweise ist es das kommerzielle Kino, das sich diesem Verdikt traditionell zu entziehen weiß.

Thiliki etairia (Weibergesellschaft) heißt der letzte Film des enfant terrible des griechischen Kinos, Nikos Perakis. Schon mit dem Titel ist ein Tabubruch mit der Legende des nationalen Befreiungskampfes, Philiki etairia (Gesellschaft der Freunde), intendiert. Aber das ist nicht alles. Das Drehbuch basiert auf einem authentischen Ereignis, das für eine Weile die walachen-turko-barocke Ödnis eines verschlafenen Städtleins in Thesalien zerrüttete. Fünf ultrafrustrierte, dafür umso vitalere Damen verlegen ihren Kartenspieltisch vom Hinterzimmer des Friseursalons einer Freundin in die Wohnung einer wohlhabenden Komplizin. Und mit der Zeit wird die Wohnung zum Stützpunkt ihrer eskapistischen Amourösitäten. Dabei aber werden sie von einem Privatdetektiv observiert, der der einzige „Ausgeschlossene“ in den Liebesabenteuern dieser libidinösen Stadt zu sein scheint.

In Almadovarscher Manier wird hier Greco-Mittelstandskitsch zelebriert und zu einem Melodram gemixt, das gnadenlos komisch ist. Mit runden Bauchbewegungen und Zynismus tanzen die Frauen sich einfach durch diesen leicht verdaulichen Film. „Ellada ist ein großes Tsifteteli“, sagt der große Post-Rembetiko-Barde Zabetas Greco-land und liefert damit die Pointe des Films Fester Bestandteil des jetzt tourenden Programms ist eine Retrospektive des alljährlich in Drama stattfindenden Kurzfilmfestivals, einer Institution, die die No-budget-Opposition fördert. Zusätzlich werden zwei Dokumentarfilme gezeigt: Nachtblumen von Nikos Grammatikos widmet sich der Ausbildung sehbehinderter Kinder. Die miserable Qualität dieses Films lässt vermuten, dass seine Aufnahme ins Programm durch die Subvention eines Ministeriums zustande gekommen ist. Ganz anders der zweite Dokumentarfilm, Dimitris Mavrikios Aenigma est – Giorgio de Chirico, Volos 1888 – Rom 1978: Er spürt sehr poetisch dem biografischen Zickzack eines Mannes nach, der lebenslänglich, auch in seinem Werk, dagegen kämpfte, als Nationalmaler vereinnahmt zu werden. Erstaunlicherweise wurde kein einziger Film ins Programm aufgenommen, der die „Pathi“ griechischer Migranten der Generation X spiegelt, obwohl es inzwischen eine Reihe solcher Filme gibt wie etwa The Wog Boy oder Head On aus Australien. Und so sind die Programmmacher von der Rücckehroption genauso weit entfernt wie von einer Grecoploitation.

Der Bienenzüchter: heute, 21.15 Uhr; Südwind - Das Ende des Spiels: 21.11., 19 Uhr; Der Ausflug: 22.11., 21.15 Uhr, 25.11., 17 Uhr; Revanche: 23.11., 17 Uhr; Die Jahre der großen Hitze: 23.11., 19 Uhr; Freier Sprung: 25.11., 19 Uhr; Ich treffe dich in der Hölle, meine Liebe: 25.11., 21.15 Uhr; Angelos: 27.11., 21.15 Uhr; Weibergesellschaft: 23.11., 21.15. Uhr; 26.11., 17 Uhr; Das Frühlingstreffen der Feldhüter: 24.11., 17 Uhr; Aenigma est: 27.11., 17 Uhr; Nachtblumen: 28.11, 17 Uhr; Kurzfilmprogramme: 28. + 29. 11., 19 Uhr, Metropolis