SPD-Basis gegen „befriedete Bereiche“ in der City

Die Delegierten des Parteitages wollen mehr Zivilcourage gegen den Rechtsextremismus, aber keine Verschärfung des Demonstrationsrechts

Die Berliner SPD-Spitze ist in ihrem Wunsch, das Demonstrationsrecht am Brandenburger Tor einzuschränken, von der Parteibasis zurückgepfiffen worden. Auf einem Landesparteitag am Wochenende forderten die Delegierten die zuständigen Behörden auf, lediglich die „bestehenden“ Möglichkeiten des Versammlungsrechts „konsequenter zu nutzen“. Die Einrichtung von „befriedeten Bereichen“ lehne die SPD ab, hieß es in dem mit breiter Mehrheit verabschiedeten Antrag weiter.

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte sich hingegen erst vor zwei Monaten hinter die Forderung ihres Vorsitzenden Klaus Wowereit gestellt, eine solche befriedete Zone einzurichten. Parteichef Peter Strieder hatte sich diese Position erst nach langem Zögern zu eigen gemacht. Auch auf dem Parteitag sprach sich Strieder dafür aus, Demonstrationen von Neonazis am Brandenburger Tor zu verbieten. Auf welche Weise er dieses Ziel erreichen will, ließ er vor der Abstimmung bewusst offen. Erst im Anschluss sagte er vor Journalisten: „Ich finde, es muss eine Rechtsänderung geben.“

Im Antragstext der Parteiführung hieß es jedoch klipp und klar, die Berliner SPD befürworte „jede“ politische und rechtliche Initiative, „die geeignet ist, Aufmärsche von Neonazis am Brandenburger Tor und am Holocaust-Mahnmal zu verhindern“ – also auch eine Änderung des Versammlungsrechts. Dieser Formulierung stimmte nur eine Minderheit der Delegierten zu.

Wowereit betonte nach der Abstimmung, er bleibe bei seiner Meinung, „dass es mit den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten nicht getan ist“. Er sehe in dem Parteitagsbeschluss allerdings „keine Dramatik“, weil die Entscheidung ohnehin auf Bundesebene getroffen werde. Strieder vertrat hingegen die Auffassung, die Delegierten hätten sich überhaupt nicht gegen eine Änderung des Versammlungsrechts, sondern lediglich gegen den Begriff des „befriedeten Bezirks“ ausgesprochen.

In einer zweistündigen, erregt geführten Debatte hatten sich mehrere prominente Sozialdemokraten gegen eine Rechtsänderung ausgesprochen. Der frühere Regierende Bürgermeister Walter Momper sagte, mit Demonstrationsverboten am Brandenburger Tor werde „niemand vom Rechtsextremismus weggezaubert“.

Weitgehend einig waren sich die Genossen allerdings bei einem Antrag, der zu klarem Handeln aller gesellschaftlichen Kräfte gegen den Rechtsextremismus aufruft. Bürger müssten bei Übergriffen mehr Zivilcourage zeigen. Politiker dürften nicht nur Sonntagsreden halten.

Unterdessen kündigte CDU-Innensenator Eckart Werthebach an, er strebe schon nächste Woche einen Beschluss der Innenministerkonferenz für ein verschärftes Versammlungsrecht an. Auf der Tagung der Ressortchefs am Donnerstag und Freitag könne Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gebeten werden, „einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen“. Erst am Freitag war bekannt geworden, dass die NPD am 25. November wieder am Brandenburger Tor aufmarschieren will.

RALPH BOLLMANN