Ende einer Dienstfahrt

Katholischer Autobahnpfarrer verliebt sich unsterblich und konvertiert zum Islam

Eins ist wohl klar: In seinem erlernten Beruf kann Eberhard Brussig vorläufig nicht arbeiten

Als Autobahnpfarrer Eberhard Brussig vergangenen Freitag nach getaner Arbeit auf den Betriebshof der Osnabrücker Autobahnpfarrei einbog, war es bereits tiefe Nacht. Routiniert wie immer ließ Brussig das zur fahrbaren Kapelle umgebaute Wohnmobil mitsamt dem angehängten, einachsigen Beichtstuhl in die Fahrzeughalle rollen. Gewissenhaft protokollierte der 53-jährige Geistliche anschließend im Fahrtenbuch sein Tagespensum: Über 400 Autobahn-Kilometer hatte er heute zurückgelegt, sechs Rastplatz-Andachten gehalten, davon sogar eine mit Abendmahl – selbstverständlich alkoholfrei, so wie es für Autobahn-Gottesdienste vorgeschrieben ist. Zudem hatte Brussig fünf Staus gesegnet, vier Brummifahrern die Beichte abgenommen sowie bei einem tödlichen Unfall eine letzte Ölung verabreicht. Alles in allem ein eher gewöhnlicher Arbeitstag für einen Autobahnpfarrer, mit allerdings einem entscheidenden Unterschied: Dieser Arbeitstag war Brussigs letzter – und im Übrigen auch sein letzter Tag als Christ. Denn schon am nächsten Morgen würde der Katholik zum Islam konvertiert und bereits das erste Mal auf einem Teppich niedergekniet sein, um gen Mekka zu beten.

Den Entschluss, seinen alten Glauben und Beruf ein für alle Mal fahren zu lassen und Müslim zu werden, fasste Eberhard Brussig in diesem Sommer, der für ihn ein Sommer der Liebe war. Der Liebe nämlich zu der islamischen Bestatterin Aishe Gülbeyaz, einer 28-jährigen Türkin aus Köln. Der Autobahnpfarrer hatte Aishe auf der Autobahn kennen gelernt, als die junge Türkin mit fünf frisch im Rheinland verstorbenen Landsleuten in ihrem silbernen Leichenwagen nach Hamburg unterwegs war, von wo aus sie auftragsgemäß die Toten per Flugzeug zur Bestattung in die Türkei überführen lassen wollte. Es war im Juli, einer der heißesten Tage des Jahres, und ausgerechnet an diesem Tag fielen in Aishes Leichenwagen die Kühlaggregate aus. Brussig hielt gerade am Rastplatz Dammer Berge eine Lkw-Taufe ab, als dort plötzlich Aishe mit ihrer mählich müffelig gewordenen Fracht auftauchte und dringend um Hilfe bat. Der Autobahnpfarrer reagierte sofort, indem er einen Spediteur herbeibeorderte, der gerade die Raststätte mit Tiefkühlware aus dem „Heiße-Hexe“-Sortiment belieferte. Flugs wurden die fünf Leichen auf die gefrorenen Pizzen und Wurst-Snacks im Kühlwagen gebahrt und unter Glocken läutendem Geleitschutz von Brussigs Andachten-Mobil gerade noch termingerecht zum Hamburger Flughafen verbracht. Dabei kam es, wie es eigentlich nicht kommen durfte. Der Katholik Eberhard verliebte sich während dieser Fahrt in die hübsche Muslimin Aishe, und es war dies – sieht man mal von der Liebe zu seiner Mutter und zu Jesus ab – Brussigs erste große Liebe überhaupt. Schon einen Monat später bat er um Aishes Hand. Die gläubige Muslimin nahm seinen Antrag an, setzte allerdings voraus, dass Brussig ihren Glauben annehmen wollte. Und Brussig wollte.

So kam es, dass Deutschlands dienstältester Autobahnpfarrer sein einem Autobahnkreuz nachempfundenes Kruzifix, welches er als Insignie seines christlichen Amtes mehr als 27 Jahre lang bei sich getragen hatte, für immer an den Nagel hängte. Von seinen Kollegen und ehemaligen Glaubensbrüdern hatte niemand die Größe, sich zu Brussigs Abschied aus Beruf und Christentum zur Autobahnpfarrei zu begeben. „Verpiss Dich, Muselmann!“ hatte stattdessen jemand anonym an die Wand der Geistlichen-Umkleide gepinselt. Und in seinen Spind hatten ihm Unbekannte einen islamgrünen Lampion in Form eines Halbmondes gehängt. Darüber allerdings musste Brussig herzhaft lachen.

Eins nur bekümmert ihn derzeit noch trotz allen Glücks. Jener Berliner Filmproduktion, die ihm dieses sehr lukrative Angebot unterbreitet hatte, um seine und Aishes Liebesgeschichte verfilmen zu dürfen, musste er nach Ansicht des Drehbuchs seine Zustimmung verweigern: Zu viele Nacktszenen! Dabei gedachte er von dem Geld aus dem Filmvertrag den Lebensunterhalt im ersten Ehejahr zu bestreiten. Denn das ist wohl klar: In seinem erlernten Beruf kann Brussig vorläufig nicht arbeiten. Einen islamischen Autobahn-Imam braucht man nämlich hierzulande (noch) nicht. Brussig hofft nun auf seriösere Film-Produzenten, die ernsthafter daran interessiert sind, seine und Aishes Liebesgeschichte fürs Kino oder TV zu verwerten. FRITZ TIETZ