„Man kriegt halt nichts geschenkt“

Tyron Ricketts, Schauspieler, Exmoderator des Musiksenders Viva und Chef der Model- und Promotionagentur „Panthertainment“, über positiven und negativen Rassismus, Afrodeutsche und Türken sowie die Macht der Medien

Interview DANIEL BAX

taz: Du spielst in dem Film „Kanak Attack“ nach dem gleichnamigen Buch von Feridun Zaimoglu mit. Würdest du dich als Kanake bezeichnen?

Tyron Ricketts: Ja, sicherlich.

Als Schimpfwort ist das Wort eigentlich auf Türken gemünzt. Wie stehst du zu dem Versuch, diesen Begriff positiv umzudeuten?

Diese etwas aggressive Art mag auf den ersten Blick fragwürdig wirken. Andererseits kann man sich nur dann gleichwertig fühlen, wenn man Selbstrespekt hat. Wenn da eine gewisse Radikalität hilft, dann begrüße ich das.

In Deutschland sind Türken die größte ethnische Minderheit, und der Rassismus konzentriert sich oft auf sie. Steht man da als Afrodeutscher besser da?

Als Afrodeutscher hat man die gleichen Probleme. Ich werde auch von der Polizei angehalten, weil ich ein schönes Auto fahre, oder muss mit der Gasknarre durch die Gegend laufen, wenn ich meine Freundin in Hohenschönhausen besuche, weil sie da ab und zu mal einen Schwarzen aus der Bahn schmeißen.

Wie wehrst du dich gegen Rassismus?

Als Mensch, der in der Öffentlichkeit steht, sehe ich es als meine Aufgabe an, mit gutem Beispiel voranzugehen und zu versuchen, etwas zu verändern: sei es durch eine Sendung, die ich auch als Sprachrohr nutze, oder sei es als Schauspieler, wo ich versuche, auch positive Rollen zu spielen – was schwierig ist!

Zum Beispiel?

In „Otto, der Film“ hätte ich mitspielen können, aber das Drehbuch enthielt drei Negerwitze. Da hätte ich mir vielleicht ein Auto verdient, aber auch drei bis fünf Millionen Leute dazu legitimiert, dass sie, wenn sie mich auf der Straße sehen, sagen: „Geh doch zurück nach Afrika.“

Was waren das für Witze?

Billige Witze: Es regnet, und Otto trifft eine schwarze Prostituierte, die sagt: „Komm doch mit zu mir, da ist es schön warm.“ Und Otto sagt: „Aber ich will doch gar nicht nach Afrika.“

Der Film „Kanak Attack“ handelt von einem Kleinkriminellen im Drogenmilieu. Ist dir diese Welt vertraut?

Ich hatte das Glück, in relativ behüteten Verhältnissen aufzuwachsen. Meine Eltern haben darauf geachtet, dass ich auf eine gute Schule gehe, dass ich die Optionen, die man braucht, um das Spiel hier mitzuspielen, beherrsche. Aber ich hatte mit Leuten zu tun, die so eine Einstellung hatten.

Was für eine Einstellung?

Dass die Hemmschwelle für Gewaltbereitschaft relativ niedrig sein kann. Dass man Beschaffungskriminalität nicht als kriminellen Akt sieht, sondern sich denkt, ich darf halt nicht erwischt werden. Manche Leute haben eben nicht den Luxus, sich das wirklich aussuchen zu können. Das können viele Leute nicht verstehen, die mit dem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen sind. Aber wenn man Leute kennt, die in Heimen aufgewachsen sind, für die ist das ganz normal: Dann haut man eben einem eins auf die Fresse für fünfzig Mark.

Deine Agentur, Panthertainment, was macht sie?

Wir sind eine Booking-Agentur für afrodeutsche Models, Schauspieler und Tänzer. Das hat den Vorteil, dass man das auch ein bisschen steuern kann. Wenn bei uns einer anruft, der sagt, er hätte gerne einen Schwarzen, der nackt im Käfig tanzt, dann können wir sagen: Nein, das machen wir nicht, und auch gleich erklären, warum. Erst in dem Moment wird es den Leuten bewusst. Und natürlich wollen wir die Präsenz ein bisschen ankurbeln. Es gibt immerhin über eine Million Afrodeutsche hier in Deutschland.

Mein Eindruck ist, gerade Afrodeutsche sind im deutschen Fernsehen überdurchschnittlich gut vertreten.

Ja, in letzter Zeit.

Besitzen Afrodeutsche denn mehr Glamour als andere Minderheiten?

Dass die Afrodeutschen gut ankommen, liegt sicher auch daran, dass Deutschland Amerika immer noch als großes Vorbild sieht, gerade im kreativen Bereich. Die Afrodeutschen profitieren sicherlich von der zunehmenden Popularität amerikanischer Schwarzer in Politik und Entertainment. Und dieses Image aus den USA, das finden ja nicht nur Deutsche cool – auch in Russland oder anderswo steht man da drauf, wie auf Cola. Aber was wissen die Leute schon über die Türkei?

Ist das auch eine Frage der Medienbilder . . .?

Ja, so wichtig sind die Medien. Darum bedeutet es mir auch viel, dort präsent zu sein. Ich habe dadurch die Möglichkeit, bestimmte Sachen anzusprechen, und hoffe, dass sich manche Leute Gedanken machen.

Türkischstämmige TV-Moderatoren sieht man seltener als Afrodeutsche. Lauert da nicht wieder ein Klischee: dass Schwarze gerade im Entertainmentbereich besonders gefragt sind?

Klar, man muss unterscheiden zwischen herkömmlichem und positivem Rassismus, und klar, die Entertainemntindustrie bedient sich an Letzterem. Aber es kommt immer auch darauf an, wie man selbst damit umgeht. Das ist eine Gratwanderung.

Zugespitzt könnte man ja sagen: Eure Agentur bedient einen positiven Rassismus . . .

Ja und nein. Wir wählen ja aus, wofür wir unsere Leute hergeben. So gesehen, sind wir auch in einer Schlüsselposition. Man muss irgendwo ansetzen. Aber so haben wir es wenigstens in der Hand. Jemand anderem wäre das vielleicht egal: Der gibt dir noch zwei Tänzer dazu in den Käfig.

Du hast beim Musiksender Viva gearbeitet. Wie siehst du derzeit den Stand des deutschen HipHops?

In den letzten Jahren ist die HipHop-Kultur in Deutschland erst so richtig zum Leben erwacht. Dadurch, dass HipHop jetzt deutsch geworden ist, konnten sich viel mehr Leute damit identifizieren. Aber in dem Moment, wo eine Subkultur einen gewissen Mainstreamstatus erreicht, interessieren sich auch ’ne Menge Leute dafür, denen es nicht um den Spirit geht, sondern schlicht und ergreifend ums Geld. Die meisten Kids, die heute HipHop hören, haben keine Ahnung, worum es geht. Die schalten Viva ein, kaufen sich eine Baggyhose und sind hiphop.

Worum geht es denn?

HipHop ist entstanden als Sprachrohr für Leute, die das sonst nicht haben. Der politische Rap der 80er, KRS One und Public Enemy, hat sicher eine Menge zum Selbstbewusstsein der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA beigetragen.

Aber das ist natürlich auch ein Unterschied zu hier . . .

Viele Kids, die hier rappen, die haben halt keine Probleme. Du hast eine Fünf in Mathe – was willst du da rappen? Da kannst du keine tiefsinnigen Texte drüber schreiben. Hinzu kommt: Ein Sender wie Viva, der sehr wichtig ist für den Erfolg einer Platte, der spielt lieber Sachen, die lustig sind und ein buntes Video haben. Es geht nur ums Geld. Das erklärt doch, worum es bei Panthertainment geht oder bei „Kanak Attack“: Man muss eigene Strukturen schaffen. Man kriegt halt nichts geschenkt.

Was ist dein Beruf: Schauspieler, Moderator, Musiker, Unternehmer?

Ich repräsentiere mich selbst. Ich mache mein Ding und versuche, unabhängig zu bleiben.

Siehst du dich als Vorbild?

Ich kann nicht sagen, dass mein Weg für andere Afrodeutsche der richtige ist, und bin sicher nicht in der Position, einem Türken zu sagen, wie er sich verhalten soll. Aber wer’s cool findet, kann sich daran ein Beispiel nehmen. Ich glaube, es ist wichtig, sich ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Nur wenn man auf der gleichen Stufe steht, kann man auch kommunizieren.