clinton in vietnam
: Obszöne Bilder

Die Bilder, die US-Präsident Bill Clinton am Wochenende beim Besuch einer Grabungsaktion für einen 1967 bei Hanoi abgeschossenen amerikanischen Piloten zeigten, kann man nur mit einem einzigen Wort kennzeichnen: Sie sind obszön. Gleichsam als Staffage, als Hintergrund der Präsidentenfamilie, der Söhne des ums Leben gekommenen Piloten und der gesamten amerikanischen Entourage wimmelt es vor vietnamesischen Arbeitern, die in schwer beladenen Körben das Erdreich forttragen. Sie sind gesichtslos, emsig. Nicht einer der Familienangehörigen von 300.000 bis heute noch vermissten Vietnamesen des „amerikanischen“ Krieges in Vietnam ist an der Seite der Clintons zu sehen.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Eine symbolische Geste, die die perfekte Inszenierung gestört hätte. Deren Botschaft: Der Präsident sorgt sich um die sterblichen Überreste unserer Jungens. Was diese Jungens aber damals taten – davon kein Bild und keine Rede.

Bilder wie die von den Bergungsarbeiten unweit Hanois dementieren die Versuche der Clinton-Administration, im Verhältnis zu Vietnam einen neuen Anfang zu machen. Während unter Ronald Reagan und George Bush die Suche nach den vermissten Amerikanern zu einem wahren nachträglichen Rambo-Propagandakreuzzug gegen die vietnamesischen Untermenschen ausgebaut wurde und an ein Ende der US-Embargo-Politik gegenüber Vietnam nicht zu denken war, änderte sich unter Clinton der Stil wie die Inhalte der amerikanischen Politik. Vom Ende des Wirtschaftsboykotts über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen bis zu vereinzelten Kooperationen. Jetzt werden die von den USA für die Suche nach den 1.498 noch vermissten G.I.s bereitgestellten Gelder auch für vermisste Vietnamesen eingesetzt. Und vielleicht kommt es noch so weit, dass amerikanische Hilfsprogramme auch den verkrüppelten Opfern der US-Flächenbombardements zu Gute kommen.

Einer der Söhne des abgeschossenen Piloten Evert sagte anlässlich des Besuchs der Grabungsstätte: „Wir müssen heilen, alle müssen heilen.“ Diese schönen, versöhnlichen Worte entsprechen dem Bewusstsein vieler amerikanischer Veteranen, die in den letzten Jahren nach Vietnam gereist sind, oft um zu helfen, um zu heilen. Wie unterschiedlich ihre Motive auch gewesen sein mögen, sie haben den Menschen in Vietnam ihre Achtung bezeugt. Davon war auf den Bildern des vergangenen Wochenendes nichts zu spüren.