Denken ist wie Bettnässen: Es macht schön warm

Im Tank (2)

Wenn man versucht, möglichst absichtslos zu leben, und einem dies ganze Tatmenschentum ein bisschen fremd ist, passt der Isolationstank in der Kreuzberger Galerie Transition eigentlich ganz gut: zum einen als Schule der Passivität, zum anderen als Kreuzungspunkt ganz unterschiedlicher angenehmer Leute. Und außerdem natürlich schwerst metapherntauglich.

Nach dem ersten Mal im Tank ging ich mit Friedhelm Böpple ins Bateaux Ivre, ein Lokal gegenüber der Transition Gallery, in dem es seltsamerweise nur mittags warmes Essen gibt. Böpple redete ununterbrochen und wie klasse alles sei und wie prima auch Jürgen Tapprich wäre. Der 60-jährige Schweizer Isolationstankhersteller hält für diverse technische Tankverbesserungen Patente, hatte im April den Tank geliefert und sei ein Bonvivant.

Böppl erwähnte noch so nebenbei, dass er zur Love Parade immer berühmte DJs fährt, was ihn in meiner Achtung sehr steigen ließ, und berichtete dann von den ehrgeizigen Plänen seiner Galerie im E-Book-Bereich, kam zu diesem und jenem und wieder zurück, während ich meinen Kopf auf Aufnahme geschaltet hatte, um weghören zu können, ohne etwas von dem Gehörten zu verpassen, weil ja gleichzeitig noch die Restentspannung vom guten Isotank genossen werden wollte.

Ein paar Wochen später, Ende des Sommers, hatte mich Böpple zu einem kurzfristig anberaumten Vortrag von Jürgen Tapprich in der Galerie Transition eingeladen. Exakt 13 tankinteressierte Männer waren da, und alle Anwesenden sahen so aus, als wenn sie tags zuvor schön gefeiert hätten.

Tapprich ist ein kräftiger Mann mit kurzen Haaren. Er sagte, er sei kein Esoteriker, er gehe nur „relativ oft in den Tank, und deshalb bin ich so, wie ich bin“. „Hommage an John Lilly“ hatte er seinen lockeren Vortrag genannt, den er er mit allerlei Zen-Geschichten und ewigen Mickymaus-Wahrheiten würzte: „Ich halte nicht viel vom Denken. Es ist wie Bettnässen: Es wird einem schön warm“, sagte er.

Das Denken entzweit einen also von der Welt und es gilt, zu den Sinnen zurückzufinden. Dazu muss man die Sinnespforten erst mal zumachen, um in andere geistige Bereiche vorzustoßen, was Tapprich mit dem Malen eines Kreises illustrierte. Nun gilt es, die „erste torlose Pforte“, die „Angst vor dem Ich-Verlust“, zu überwinden, um so allmählich in andere geistige Bereiche vorzudringen und sich irgendwie „umzustrukturieren“. Um das zu erreichen, solle man beispielsweise im Tank zunächst seine Atemzüge zählen und damit die linke, dem Rationalen zugeneigte Gehirnhälfte beschäftigen, um sie dann auszutricksen: Wenn man dann nur noch bis drei kommt, hat man die „torlose Schranke“ überschritten und steht möglicherweise schon vor der nächsten, hinter der die „ozeanischen Gefühle der Allverbundenheit“ warten.

Wir rauchten erst mal einen, und der Schweizer Isotankbauer sagte, man solle einen guten Freund mitnehmen, wenn man etwas „genascht“ hätte und dann in den Isotank wolle. „Naschen“ für Kiffen ist auch nicht schlecht. So sind eben die Schweizer. „Summen, Brummen und den Körper in Bewegung setzen“ kann im Isotank auch Wunder bewirken.

Später sagte Friedhelm Böpple, Tapprich hätte es „faustdick hinter den Ohren“. Grad sei er noch der freundliche, in Fragen der unkonventionellen Bewusstseinsverbesserung erfahrene Hippie, dann plötzlich ein knallharter Geschäftsmann. 25.000 Mark hätte er beispielsweise für die Betreuung eines mit EU-Geldern geförderten Tanks in Graz verlangt und zunächst nicht bekommen. Dann funktionierte der dortige Tank nicht richtig, die Fragen der Reinigung waren nicht angemessen gelöst worden und man zahlte ihm nun anstandslos 50.000 Mark für sein helfendes Eingreifen.

Tapprichs Vortrag wurde auf Video mitgeschnitten. Das Video kriegen alle Mitglieder des mittlerweile gut gefüllten Vereins zur Erinnerung geschenkt. Der junge Cutter, der das Video bearbeitet und einen leicht esoterisch wirkenden Trailer dazu machte, ist einer der besten in Deutschland und hatte neulich unter anderm den Bundesfilmpreis gewonnen. Wir tauschten dann noch spacige Webseiten aus.

Das zweite Mal im Tank war auch sehr schön. Abgeschnitten von allen Akten, Macken und Wahrnehmungen, über die man sich ansonsten zu definieren pflegt, vergingen die zwei Stunden wie im Fluge. Totalisolation in einer warmen Salzsuppe führt allerdings nicht zur Verlangsamung der Zeit, sondern eher zum entspannten Gegenteil. Das ist wie bei der Playstation. Nur ist man da ja eher unentspannt. Zwischendurch denkt man Sachen wie: Vielleicht sollte ich mein Zimmer doch wieder orange anstreichen oder eine Felljacke als Ich-Attribut für den Winter kaufen.

DETLEF KUHLBRODT

Fortsetzung folgt