Thierse steht noch mal auf

Bundestagspräsident Thierse spricht am Samstag bei der Kundgebung gegen den NPD-Aufmarsch. Inzwischen mobilisiert ein breites Bündnis – ohne die CDU. Diepgen kritisiert die Demonstration

von GEREON ASMUTH

Der Aufstand der Anständigen vom 9. November ist nicht verpufft. Während am 4. November noch 1.200 NPD-Anhänger weitgehend unbehelligt durch Mitte marschieren konnten, wird die NPD-Demonstration am kommenden Samstag in Berlin nicht erneut nahezu ohne gesellschaftlichen Widerspruch bleiben. Für die Gegenkundgebung der „Berliner Initiative: Europa ohne Rassismus“ hat mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ein erster hochrangiger Redner zugesagt.

„Nach der eindrucksvollen Demonstration Hunderttausender am 9. November können und wollen wir der NPD zwei Wochen später nicht alleine die Straße überlassen“, heißt es im Aufruf der überparteilichen Initiative. Die NPD habe ihren Umzug bewusst von München nach Berlin verlegt, um international Aufsehen zu erregen. Dieser Provokation solle mit dem „Gesicht des anderen, des bunten und friedlichen Berlin“ entgegentreten werden.

Bereits am Montagabend haben sich Vertreter von SPD, PDS, Gewerkschaften und Kirchen getroffen, um die Demonstration vorzubereiten. Das Bündnis soll bis zum Samstag noch erweitert werden. Nur die CDU tut sich erneut schwer, sich am öffentlichen Widerspruch gegen die Rechtsextremen zu beteiligen. Sibyll Klotz, Fraktionschefin der Berliner Grünen und Hauptorganisatorin der Initiative, hofft, noch weitere prominente Redner gewinnen zu können und damit der Gegendemonstration mehr Gewicht zu verleihen.

Die Kundgebung der Initiative „Europa ohne Rassismus“ soll am Samstag von 12 bis 20 Uhr vor dem Roten Rathaus stattfinden. Ursprünglich wollte man sich auf der Westseite des Brandenburger Tors treffen. Davon sei man abgerückt, so Klotz, weil man auf jeden Fall in NPD-Nähe protestieren wolle.

Die Polizei hat der NPD mittlerweile nahe gelegt, auf den geplanten Marsch durchs Brandenburger Tor zu verzichten. Sollte sie nicht freiwillig darauf eingehen, so Stefan Paris, Sprecher der Innenverwaltung, werde dies als behördliche Auflage erlassen. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hatte zuvor angekündigt, den Marsch durch das Tor zu verhindern. Die Demonstration lasse sich allerdings nicht ganz verbieten.

Dem widersprach gestern Gerd Seidel, Rechtswissenschaftler der Humboldt-Universität. Ein Verbot sei auch auf Grundlage bestehender Gesetze möglich. Werthebach jedoch plädiert seit längerem für eine Verschärfung des Demonstrationsrechtes.

Der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder forderte unterdessen die CDU auf, sich an der Kundgebung vor dem Roten Rathaus zu beteiligen. Das lehnte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ab. Man könne Demonstrationen nicht mit Gegendemonstrationen bekämpfen. „Ich ärgere mich maßlos darüber, dass eine Menge Leute den Mund spitzen, wenn es aber ans Pfeifen geht, sich verweigern“, kritisierte Diepgen die Weigerung der Berliner SPD, eine Einschränkung des Demonstrationsrechtes mitzutragen.

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