schnittplatz
: Zeitlose Spekulation

Am Donnerstag kommt die neue Zeit. Außerdem treffen sich die Gesellschafter des traditionsreichen Wochenblattes, das seit einigen Jahren mehrheitlich zum Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern gehört. Das wäre an sich ein wenig berichtenswerter Vorgang, wenn nicht in den letzten Tagen wieder arg über die Zukunft der Zeit, genauer: ihres Chefredakteurs in die Tasten gegriffen worden wäre.

Der heißt Roger de Weck und war am Montag nach Stuttgart zum Stammsitz des Familienkonzerns Holtzbrinck einbestellt, am gleichen Abend wollte er auch die Redaktion in Hamburg informieren. Dieser zweite Termin, ist zu hören, hat allerdings nicht stattgefunden.

Dennoch gilt de Wecks Zukunft als besiegelt: Bei der Zeit liegt sie nicht. Josef Joffe, der ehemalige Außenpolitik-Chef der Süddeutschen, war schon vor einiger Zeit als „Aufpasser“ im Herausgebergremium platziert worden, seitdem wackelte de Wecks Stuhl.

Die Welt am Sonntag hatte schon am Wochenende den Nachfolger parat: Giovanni di Lorenzo, nach erfolgreicher Süddeutsche-Karriere Chefredakteur bei Holtzbrincks Tagesspiegel. Die Variante hat nur einen Haken: Einerseits dementiert der Delinquent, andererseits würde die Rochade nur bedeuten, das im Hause Holtzbrinck ein Loch in Hamburg gestopft, dafür in Berlin aber ein neues aufgerissen wird.

Die anderen, in Welt und Focus ventilierten Lösungen passen mit ihrer Patina zwar ganz gut zum derzeitigen Zeit-Image, offenbaren so aber auch ihre Schwäche: Dass Michael Naumann, derzeit als Staatsminister für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien in Diensten der Bundesregierung, dereinst zurückkehrt, um der Zeit den Barbarossa zu machen, geistert seit ungefähr einem Jahrfünft durch die Republik. Ein Tandem Joffe-Naumann stünde für einen klaren Schwenk nach rechts – und sorgt schon als Möglichkeit in der Redaktion für erhebliche Unruhe.

Eins ist allerdings klar: De Weck darf die Verantwortung für die verschiedenen Reformversuche der letzten Zeit tragen, auch wenn er vom umstrittenen „Leben“ bis zum auf Service-Linie getrimmten Wirtschaftsteil ausdrücklich die Wünsche des Verlags umgesetzt hat. STEFFEN GRIMBERG