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Jean Baudrillard

Er verabschiedet sich gern. Seit „Der symbolische Tausch und der Tod“, einer Art Enzyklopädie zur Ökonomie der Zeichen, wirft der französische Philosoph Jean Baudrillard seine Thesen vom Ende der Utopien („Das Jahr 2000 findet nicht statt“), vom Scheitern der medialen Öffentlichkeit („Requiem für die Medien“) oder von der Auslöschung aller kulturellen Differenz („Transparenz des Bösen“) in die Diskussion. Das hat ihn in den Ruf gebracht, Theorie und Geisteswissenschaften nur noch als ein billiges Mittel der Provokation zu benutzen. Trotzdem, besser gerade deshalb, ist der inzwischen 71-Jährige weiterhin einer der bestbezahlten Privatdozenten in Paris und häufiger Gast auf den Kommentarseiten von Le Monde und Libération bis Le Figaro.

Das Spiel mit der intellektuellen Redlichkeit hat sich auch mit seiner letzten Veröffentlichung nicht geändert. Als 1999 „L’Echange impossible“ in Frankreich erschien, schwärmte ein Kritiker der Libération von der subversiven Kraft des Buches, das sich, durchaus im Sinne Baudrillards, nach dem Lesen hätte selbst entzünden oder gleich in die Luft sprengen müssen – so konsequent und durchschlagend seien die Argumente vom Ende der Gültigkeit der Wirklichkeit. Schließlich handelt der nun auf Deutsch erschienene „Unmögliche Tausch“ (im Merve Verlag Berlin) davon, wie sich die Menschheit nun doch ihrer Möglichkeiten und Existenz beraubt.

Die Apokalypse findet statt: Indem durch Kopiergeräte, Internet, Börsengänge und zuletzt das Klonen alles verdoppelt wurde, kann man in der Realität nichts mehr gegen etwas anderes eintauschen – weil es ja lauter simulierte Äquivalente gibt. So stirbt mit dem Klonen das Begehren, und das Denken wird dank der Informationstechnologien überflüssig.

Aus diesem dunklen und doch ein wenig Science-Fiction-artigen Szenario kann, so Baudrillard in gewohnter Manier, nur die Akzeptanz dieser totalen Systeme retten. Wenn sich die technische Verdoppelung perfektioniert und verselbstständigt hat, wird endlich auch Platz frei für die „buchstäblich wahre Welt“ – eine Welt, in der man laut Baudrillard nicht mehr nach Sinn und Bedeutung fragt, sondern das Spiel einfach mitspielt.

HF

Jean Baudrillard, „Der unmögliche Tausch“, Merve Verlag, Berlin 2000,205 S., 28 DM