die stimme der kritik: Betr.: Basta! Baise-moi! Fick mich!
Der Gelegentlich-Kanzler
Oh ja, unser Bundeskanzler hat wieder mal gezeigt, dass er sein Handwerk versteht. „Basta!“, rief er vor zwei Wochen auf dem ÖTV-Kongress, und seitdem sagen alle „Basta!“, wenn sie Entschlossenheit demonstrieren wollen.
Genau das wollte Gerhard Schröder: Entschlossenheit demonstrieren und all denjenigen, die ebenfalls Entschlossenheit demonstrieren wollen, den Weg abschneiden. Keiner sollte mehr an seinem entschiedenen „Basta!“ vorbeikommen. Wo immer die Entschlossenen hinwollen, wo immer sie langgehen, wo immer sie reden – der entschlossenen Kanzler ist schon da. So schreibt sich die Geschichte des zu allem entschlossenen Gerhard Schröder von einer Entschlossenheit zur nächsten fort. So etwas nennt man heutzutage Politik.
Um die ganze Ausgebufftheit dieses schröderschen Plans zu verstehen, muss man wissen, dass sich der Kanzler eines kleinen Tricks bediente, um auch diejenigen, die sich nicht für Politik, sondern, sagen wir, für Kultur interessieren, von seiner Entschlossenheit zu überzeugen.
Sein „Basta!“ rief er pünktlich zum Start des französischen Skandalfilms „Baise-moi“ in die Kameras. Schröder nutzte dabei ganz geschickt die phonetische Ähnlichkeit von „Basta!“ und „Baise-moi“, um einen einfachen populistischen Effekt zu erzielen: Wer sich weder für ÖTV noch für Politik und schon gar nicht für Schröder interessiert, dachte sich Schröder, der wird sich wenigstens fürs Ficken interessieren. (Vielleicht dachte Schröder auch: ... der wird sich wenigstens für Geschlechtsverkehr interessieren, aber dieser semantische Unterschied tut hier nichts zur Sache.)
Die in dem französischen Film „Baise-moi“ schon im Titel offen ausgesprochene Aufforderung „Fick mich!“ enthält ja mindestens genauso viel Entschlossenheit wie Schröders „Basta!“. Da wird, so das Kalkül des Kanzlers, gerade bei den Filminteressierten sein „Basta“ in das zweifellos populärere „Baise-moi“ mit einfließen. Wer „Fick mich!“ denkt, denkt „Basta!“, denkt Schröder, denkt doppelte Entschlossenheit.
Wem das zu kompliziert ist, dem sei gesagt: So einfach ist heutzutage Politik. Wer dann noch weiß, dass Schröders Lieblingswort gar nicht das entschlossene „Basta“, sondern das zögerliche, abwägende Wörtchen „gelegentlich“ ist, der erst versteht: Der Kanzler muss so einfallsreich sein, um seine Entschlossenheit zu demonstrieren. JENS KÖNIG
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