Zitterpartie in Peru

Opposition könnte Übergangspräsidenten stellen, doch wurde sie vom schnellen Rücktritt Fujimoris überrascht

BUENOS AIRES taz ■ In Peru ist der Weg frei für eine neue Regierung, der nicht Komplizenschaft mit dem zurückgetretenen Präsidenten Alberto Fujimori vorgeworfen werden kann. Nachdem der stellvertretende Vizepräsident Ricardo Márquez angekündigt hat, nicht für das Amt des Übergangspräsidenten zur Verfügung zu stehen, könnte der oppositionelle Kongresspräsident Valentín Paniagua mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt werden. Laut Verfassung wäre Márquez Fujimori im Amt gefolgt. Doch der unscheinbare Hinterbänkler verzichtete am Montag auf seine Ernennung wegen des „starken Drucks von außen“, wie er sagte.

Noch gestern wollte in Lima der Kongress über Fujimoris Rücktritt debattieren. Die Opposition wollte das Präsidentenamt als vakant erklären lassen, um eine von Paniagua geführte Übergangsregierung einsetzen zu können. Der Politiker der linken Mitte kämpft seit Jahren gegen Fujimori. Er ist Gründungsmitglied des Demokratischen Forums, einer Oppositionsgruppe, die vor den Wahlen im Mai über eine Million Unterschriften gegen Fujimoris erneute Kandidatur gesammelt hatte. Ihm wird zugetraut, prestigeträchtige Persönlichkeiten als Minister in seine Übergangsregierung zu berufen. Erst vor einer Woche war Paniagua mit Hilfe einiger Abgeordneter der bisherigen Regierungsliste zum Kongresspräsidenten gewählt worden, als diese sich für unabhängig erklärten.

Doch Fujimoris Rücktritt am Sonntag erwischte die Opposition auf dem falschen Fuß. Sie müsste für die Neuwahlen, die in kaum mehr als vier Monaten stattfinden sollen, längst über eine gemeinsame Liste diskutieren. Doch die Opposition ist sich uneinig und steht noch längst nicht in den Startlöchern. Alejandro Toledo, Fujimoris Herausforderer bei den letzten Wahlen, legt deshalb großen Wert darauf, dass die Wahlen nicht vorverlegt werden. Als Fujimori noch in Amt und Würden war, hatte Toledo einen früheren Wahltermin gefordert. Jetzt hat er erkannt, dass er und seine Mitstreiter mit leeren Händen und ausgelaugten Kräften dastehen. Deshalb rief er die Oppositionsparteien zu „einer gemeinsamen Kandidatur“ auf. Das wird nicht einfach werden, da sich jeder Kopf einer Oppositionspartei – Toledo eingeschlossen – für den geeignetsten Kandidaten hält.

Nach zehn Jahren Fujimori-Regime ist die politische Kultur zerstört. Traditionelle Parteien und kampfkräftige Gewerkschaften wurden pulverisiert. Übrig blieben Bewegungen wie Toledos „Peru Posible“ oder die Gruppierung „Wir sind Peru“ des Bürgermeisters von Lima, Alberto Andrade. Sie sind nur auf einen charismatischen Führer zugespitzt und haben keine schlagkräftige Organisation.

Besorgt über die politische Zukunft Perus sind auch die USA. Am Montag traf eine US-Delegation in Lima ein, angeführt von dem für Lateinamerika zuständigen Staatssekretär Peter Romero. „Es ist Zufall, dass unser Besuch genau in diesem Moment kommt“, beteuerte Romero. Es war ausgerechnet die US-Regierung, die die Peruaner darüber informierte, dass der japanischstämmige Fujimori vorerst nicht plane, aus Japan zurückzukehren. Fujimori habe „entschieden, für unabsehbare Zeit in Japan zu bleiben“, sagte Mary Ellen Countryman, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses in Washington. Gestern erklärte Fujimori in Tokio, dass er dort kein Asyl beantragen wolle. INGO MALCHER