Kommunisten klasse Klimaschützer

China legt in Den Haag die beste Kohlendioxid-Emissionsbilanz aller Länder vor. Schließung einer großen Zahl alter Staatsbetriebe macht Umweltpolitik so effektiv wie nie zuvor. Dennoch bleibt Chinas Entwicklung extrem klimagefährdend

aus Peking GEORG BLUME

China hat innerhalb eines Jahres seinen klimaschädlichen CO2-Ausstoß um mehr als doppelt so viel Tonnen reduziert wie Deutschland in acht Jahren. Zu diesem erstaunlichen Ergebnis, das der kommunistische Regierung in Peking eines der besten Klimazeugnisse weltweit ausstellt, kommen die neuesten CO2-Erhebungen der Internationalen Energieagentur in Paris, die jetzt am Rande der Weltklimakonferenz in Den Haag veröffentlicht wurden. Den Erhebungen zufolge sanken die chinesischen CO2-Emissionen von 3.112 Millionen Tonnen im Jahr 1997 auf 2.862 Millionen Tonnen im Jahr 1998.

Zugleich hat China den CO2-Ausstoß pro Einheit des erwirtschafteten Sozialprodukts erheblich senken können – um etwa 50 Prozent von 1990 bis 1998. CO2-Ersparnisse von ähnlicher Größenordnung wurden bisher nur in Russland und der Ukraine nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Planwirtschaft nachgewiesen.

Die Entwicklung in China ist damit jedoch kaum vergleichbar, auch wenn hier im betreffenden Jahr 1998 eine besonders große Zahl alter Staatsbetriebe geschlossen wurde. Anders als in Osteuropa, wo ein Wirtschaftssystem unkontrolliert kollabierte, wurden in China die Betriebsschließungen von Fall zu Fall entsprechend der von der Partei verfügten Kriterien vollzogen. Und hier hat die voluntaristische Umweltpolitik Pekings Dinge bewirkt, deren sich keine andere Regierung bisher rühmen kann. „Bis Ende 1999 wurden 31.200 illegale Kohleminen geschlossen, die Kohleproduktion um 268.000 Millionen Tonnen reduziert“, so das neue chinesische Umweltweißbuch. Die wichtigsten Maßnahmen für den Klimaschutz in China: Verbote kleiner, meist privatwirtschaftlicher oder genossenschaftlicher Kohleminen, deren zumeist unkontrollierte Förderung im Norden des Landes viele quadratkilometergroße Kohlebrände ausgelöst hat.

Zugleich fördert Peking massiv die Umstellung von Kohle auf Gas beim privaten Heizverbrauch. Waren zu dieser Jahreszeit noch vor wenigen Jahren in jeder Pekinger Gasse die Lastfahrräder mit Kohlebriketts unterwegs, so sind die schwarzen Lastenfahrer heute zur Seltenheit geworden. Grund dafür ist der Ausbau zentraler Gasheizsysteme in den Metropolen.

Im Abbau der Kohlewirtschaft, die immer noch zwei Drittel des gesamten chinesischen Energiebedarfs abdeckt, liegt nach Auffassung von Professor Lu Yingyun der Schlüssel zum chinesischen Klimaschutz. „Durch Energiesparmaßnahmen und neue Technologie sparen wir derzeit jedes Jahr mehrere hundert Millionen Tonnen Kohle ein“, sagt der Klimaexperte vom Global Climate Change Institute der Pekinger Qinghua-Universität (GCCI).

In Den Haag lehnt China bisher international festgelegte Obergrenzen für den eigenen CO2-Ausstoß ab. Schließlich sei man Entwicklungsland, belaste das Klima beim Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen nur um einen Bruchteil dessen, was auf Industrieländen zurückfällt (Verhältnis Deutschland/China: 1: 0,2). Doch Lu benennt andere Gründe für den chinesischen Klimaschutz: „Die Umwelt beschäftigt die Öffentlichkeit immer mehr. Die Lage ist ernst.“ Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Horizon gibt Lu recht: Unter 3.000 Befragten aus mehreren Großstädten gilt der Umweltschutz heute in China als größtes gesellschaftliches Problem – zuletzt war das noch Arbeitslosigkeit und Korruption.

Trotz der schönen Bilanzen gibt es in China selbst wenig Hoffnung auf weitere Klimaverbesserungen. „Die Klimaveränderungen sind nicht unser größtes Problem“, gesteht Professor Lu. Wasserversorgung und Müllbeseitigung seien aktuell wichtiger. Zudem starte die Wirtschaft mit neuen Großprojekten in ärmeren Provinzen durch. Lu: „Die wirtschaftliche Erschließung wird noch viel Energie kosten.“