Hochsicherheitstrakt Gericht

■ Auch heute wird im Oldenburger Landgericht wieder ein Großaufgebot der Polizei erwartet: Gerichtet wird über eine Frau, die einen Polizisten getreten haben soll

Großer Bahnhof im Landgericht zu Oldenburg: Wegen eines Prozesses um einen angeblichen Schienbein-Tritt gegen einen Polizisten vor zwei Jahren verwandelte die Gerichtsleitung das Hohe Haus letzte Woche in einen Hochsicherheitstrakt. Mindestens 30 Beamte waren letzten Freitag am zweiten Prozesstag gegen eine 28-jährige Frau vor und im Gerichtssaal in Stellung gegangen, um befürchtete Ausschreitungen zu verhindern. Angeblich sei ein anonymer Droh-Anruf in der Gerichtsverwaltung eingegangen, begründete der vorsitzende Richter die Maßnahmen. Der Richter habe aber darauf verzichtet, Einzelheiten zu erfahren, erläuterte gestern ein Sprecher des Landgerichtes – „um die Sache nicht noch weiter zu eskalieren“.

Stattdessen wurde die Polizei gerufen. Schon am ersten Prozesstag hatten sich Besucher Leibesvisitationen unterziehen müssen, zahlreiche Uniformierte mit Dienstwaffen sowie Zivilbeamte hätten auf den Besucherstühlen Platz genommen. Am zweiten Prozesstag wurde von einem regelrechten „Spalier“ von Uniformierten berichtet, den man auf dem Weg in das Verhandlungszimmer durchschreiten musste. Im Innenhof hätten Beamte eines Sondereinsatz-Kommandos gewartet. Ergebnis: Rund 25 Besucher aus dem linksalternativen und autonomen Spektrum weigerten sich, unter diesen Umständen den öffentlichen Prozess zu verfolgen. Ohnehin waren durch die massive Polizeipräsenz nicht genug Sitzplätze vorhanden.

„Das massive Aufgebot an Sicherheitskräften schafft ein Bild von einer ,gemeingefährlichen' linken ,Szene', die eine entsprechende Repression ,verdient'“, schreiben anonyme autonome Prozeßbeobachter in einer Presseerklärung. Auch der Bremer Anwalt der Angeklagten, Martin Stucke, zeigte sich verwundert über die starke Polizeipräsenz. „Das wirkt schon sehr polizeistaatlich, wenn in einem Gerichtssaal alles grün ist“, sagt er. Eine derartige Polizeipräsenz habe er in seinen mehr als 16 Jahren als Verteidiger noch nicht erlebt.

Die These der autonomen Prozessbeobachter, dass die Kosten für das Verfahren in die Höhe getrieben werden sollen, sei nicht ganz abwegig, erklärt der Anwalt. Am ersten Tag fehlte der Hauptbelas-tungszeuge, durch den regelmäßig späten Beginn um 14 Uhr sei zudem mit mehr Prozeßtagen zu rechnen, als nötig seien. Heute, am dritten Prozesstag wolle man sich Zeit bis 18 Uhr nehmen – „und das kos-tet Überstunden“.

Ob das Ganze die Aufregung wert ist, ist fraglich. Der Beamte behauptet, von der Angeklagten bei einer Demo gegen eine Kranzniederlegung am Volkstrauertag ans Schienbein getreten worden zu sein. In einer ersten Instanz war die Angeklagte zu einer Strafe von 750 Mark verurteilt worden, weil das Gericht der Darstellung des Beamten Glauben schenkte. Dagegen war Berufung eingelegt worden. Bleibende Schäden hat der Polizist ebenso wenig wie konkrete Erinnerungen an Einzelheiten des Vorfalls. Die heutige Verhandlung soll in einem größeren Raum stattfinden – damit diesmal alle Polizisten und Sympathisanten einen Sitzplatz finden.

cd