Niedergang der Niederlande?

„In Europa abgehakt“: Hollands Fußballklubs durchleben im internationalen Geschäft eine Zeit der Erfolglosigkeit

ROTTERDAM taz ■ Die Reihen haben sich gelichtet: Während noch sieben Bundesliga-Klubs im Uefa-Cup vertreten sind, müssen die so hochgelobten Nachbarn mit zwei Plätzen vorlieb nehmen. Das große Ajax scheiterte an Lausanne, Vitesse Arnheim mit Trainer Ronald Koeman an Inter Mailand, und Rode Kerkrade blieb schon in der ersten Runde auf der Strecke. In der Champions League hatte der SC Heerenveen als Vizemeister keine Chance, und Feyenoord Rotterdam scheiterte ebenso wie der PSV Eindhoven.

Beiden blieb nur der Weg in den Uefa-Cup, wo Feyenoord heute auf den VfB Stuttgart trifft, das mit Krassimir Balakow, 34, zu kämpfen hat. Der Mittelfeldspieler erhielt eine Abmahnung und eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Mark, nachdem der Bulgare sich im letzten Bundesligaspiel zu Hause gegen Schalke 04 gegen eine Auswechslung gesträubt hatte. Er gehört heute auch nicht zum Kader des VfB.

Das Versagen der holländischen Fußball-Filialen im Ausland – Barcelona, Glasgow Rangers und Juventus Turin – sowie das 0:3-Debakel der Nationalmannschaft gegen Portugal lässt manchen vom Niedergang des niederländischen Fußballs sprechen. Kees Jansma, der Ernst Huberty des niederländischen Fernsehens, unkte schon vor dem Ausscheiden der Oranje-Klubs im Europapokal: „Holland ist in Europa abgehakt.“ Aad de Mos, einst kurzzeitig bei Werder Bremen unter Vertrag, jetzt im belgischen Mechelen tätig, sagt: „Es gibt keine Topspieler bei Feyenoord, keine bei Vitesse und in diesem Augenblick auch nicht bei Ajax und bei PSV Eindhoven.“ Feyenoord hat Kalou und Leonardo, Eindhoven den Dänen Rommedahl (zweifacher Torschütze gegen Deutschland), Ajax den Rumänen Cristian Chivu – allesamt Ausländer.

Johan Derksen, Chef des mit einer Auflage von 250.000 mächtigen Fachblatts Voetbal International, mäkelt: „Es wird in den Niederlanden betrüblich schlecht Fußball gespielt. Spieler mit individuellen Dribbelmöglichkeiten sind an den Fingern einer Hand abzuzählen.“ Auch der niederländische Fußball produziert nicht Jahr für Jahr außergewöhnlich begabte Außenstürmer und torhungrige Talente. Selbst der größte Systemfanatiker des holländischen Fußballs, Bondscoach Louis van Gaal, musste zuletzt wegen der Verletzungen von Overmars und Zenden auf die Besetzung der Außenpositionen verzichten.

Die Fußballanalytiker des Landes (Johan Cruyff, Wim van Hanegem und Wim Kieft) sehen am ehesten in der Spielweise von Feyenoord Rotterdam, heute im Uefa-Cup Gegner des VfB Stuttgart, die holländische Spielkultur bewahrt. Aad de Mos bringt die Essentials im Rotterdamer Spiel auf den Punkt: „Feyenoord hat mit Bert van Marwijk einen neuen Trainer, der zu einer guten Philosophie überging: dem 4/4/2-System. Er musste für diesen neuen Stil aber Kompromisse hinsichtlich der Außen eingehen.“ Allerdings – so Aad de Mos weiter: „Feyenoord trifft unendlich selten.“ Eine Einschätzung, die Stuttgarts geplagter Coach Ralf Rangnick mit einer gewissen Wonne hören dürfte.

EGON BOESTEN