Öde und Langeweile in der Hegemonie

Warum beim FC Bayern München die Krise droht, trotz des 1:0 über Olympique Lyon in der Champions League

MÜNCHEN taz ■ Kommen wir zur Sache: Der FC Bayern München spielt derzeit richtig miesen Fußball, ohne Mumm, ohne Surprise, was sogar die Beteiligten zugeben. Ottmar Hitzfeld, der Trainer, sprach nach dem 1:0 gegen Olympique Lyon in der Champions League am Mittwochabend wiederholt von einer „Verunsicherung in meiner Mannschaft“, und Giovane Elber, der Stürmer, hat gar in der ersten Halbzeit die Bayern so schlecht gesehen „wie noch nie in dieser Saison“. Das war in der Tat angemessen formuliert, und wäre da nicht das Kopfballtor gewesen von Jens Jeremies in der 55. Minute, die Münchner hätten sich wieder mit dem meistgehassten Wort des Vereins beschäftigen können: Krise.

Nun will man nichts davon wissen, vor allem, weil die Krise ja lediglich „von außen gemacht“ werde, wie Jeremies behauptet. Das allerdings ist so nicht korrekt. Die Krise wird nicht von außen gemacht, sie schlummert längst wie ein Virus im Inneren des FC Bayern. Nur ist die Krankheit noch nicht vollends ausgebrochen. Aber es gibt Anzeichen, bedrohliche, dass dies bald geschehen könnte.

Warum? Weil ...

1. die Spieler überspielt und müde sind, was man ihnen wegen der permanent durchspielten englischen Wochen nicht einmal vorwerfen kann.

2. die Spieler genügsam und bequem wirken. Sciriaco Sforza ist das beste Beispiel. Seit seinem Wechsel zu den Bayern hat er scheinbar jede Inspiration verloren, steht meist wie eine Zapfsäule in der Abwehr und schaufelt lustlos die Bälle aus der Abwehr raus. Ein Grund für jene Verhaltensweisen könnte sein, dass die Bayern neue Spieler brauchen. Dringend. Seit drei, vier Jahren spielen die Münchner mit demselben Stamm an Profis, und selbst Ersatzmann Michael Wiesinger hat gemerkt, dass es sich lohnt, den Mund zu halten und abzuwarten, weil irgendwann jeder reinrotieren darf in den von Hitzfeldt inszenierten Reigen. Es gibt also keinen echten Konkurrenzkampf, was dazu führt, dass das Leistungspotenzial eines jeden Angestellten nicht ausgeschöpft wird. Bösartigkeit kann man den Spielern nicht unterstellen, denn dieses Verhaltensmuster läuft im Unterbewusstsein respektive Unbewussten ab. Aber es passiert. Auch bei einem Bayern-Profi.

3. die eigenen Ansprüche an die Spielkultur gesunken sind. Während die Fans nach wie vor den Hit „Forever number one“ grölen, tröstet sich Jeremies mit dem „Dortmund-Sieg vor 14 Tagen“ und verkündet, dass man sich erst mal „in die Winterpause retten“ will. Ist das das stolze Selbstvertrauen, das darauf gründet, der FC Bayern sei hier zu Lande der hegemoniale Primus inter pares? In diesem Zusammenhang fällt auf, wie sehr sich Spieler und Trainer ständig an den „wichtigen drei Siegpunkten“ (Hitzfeld, Effenberg, Elber, Sergio) festklammern. Als ob es darum ginge. Bei keinem anderen Verein in Deutschland kommt es schließlich so sehr auf das „Wie des Sieges“ an wie bei den Bayern.

4. die Zuschauer weniger Lust auf die Bayern haben. Nur 18.000 kamen gegen eine harmlose Mannschaft aus Lyon, was sicher am Fußball-Overkill in München und am kalten Wetter lag (Effenberg: „Ich wäre auch nicht gekommen“). Vielleicht liegt es zunehmend auch daran, dass die Besucher seit Jahren dieselben Akteure (siehe Punkt 2) sehen müssen. Links Tarnat, in der Mitte Jeremies, vorne Zickler. So etwas langweilt eine Gesellschaft, die gewohnt ist, bei Nichtgefallen Kandidaten aus der Sendung zu nominieren. Und selbst die Spieler, die als Stars gekauft wurden, sind alte Bekannte. Strunz. Effenberg. Sforza. Gähn.

5. Zu guter Letzt: Nach dem „Ja. Baby mit Sekretärin“ (Bild-Zeitung)-Outing von Franz Beckenbauer kam dieser zwar ins Stadion mit Noch-Ehefrau Sibylle, sagte aber: „Ich habe gesagt, was es zu sagen gibt.“ Quasselstrippe Beckenbauer will nicht mehr reden. Wenn da keine Bayern-Krise schlummert und bald aufzuwachen droht. GERALD KLEFFMANN

FC Bayern München: Kahn - Kuffour, Sforza, Linke - Fink, Effenberg, Jeremies, Tarnat (75. Lizarazu) - Sergio, Elber (85. Jancker), Zickler Olympique Lyon: Coupet - Deflandre, Müller, Edmilson, Brechet - Violeau (74. Malbranque), Linares (74. Vairelles), Foe, Laigle - Marlet (81. Govou), AndersonZuschauer: 18.000; Tor: 1:0 Jeremies (55.)