DIE DEUTSCHEN INNENMINISTER UND DIE FLÜCHTLINGE AUS BOSNIEN
: Zeichen für Menschlichkeit

Die überlebenden Opfer des Krieges in Bosnien-Herzegowina warten heute gespannt auf die Entscheidung der Innenministerkonferenz. Sie warten gesenkten Hauptes und schämen sich für vieles: für die, die sie aus ihren Häusern trieben, die sie schlugen, die sie vergewaltigten. In den Seelen der Flüchtlinge brennt es. Sie blicken nach unten und sehen keine Zukunft. Sie haben kein Vertrauen. Das nackte Leben konnten sie retten, aber sie fühlen sich schuldig, weil es ihnen passiert ist – und weil sie überlebt haben.

Sie hatten Hoffnung, als sie in ein sicheres, demokratisches Land entkamen. Hieße das Zufluchtsland Holland, Dänemark, Österreich, Schweden... – die Hoffnung wäre auch eingelöst worden. Ihre Leiden wären anerkannt, sie hätten einen sicheren Aufenthaltsstatus. Wären sie dort, würden sie arbeiten und die Zukunft ihrer Kinder planen. Mit dieser für jeden Menschen notwendigen Grundlage könnten vielleicht einige der Flüchtlinge langsam und behutsam auch ihre traumatischen Erlebnisse bearbeiten.

Aber die rund dreißigtausend bosnischen Flüchtlinge leben in Deutschland. Hier verwandelt sich Scham in Schuld: Sie sind schuld, weil sie hierher gekommen sind, weil sie keine richtige Wohnung haben, weil sie auf Kosten anderer leben, weil sie nicht zurückkehren, weil sie ihr Land nicht aufbauen, weil sie keine Sprache haben, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, weil sie überlebt haben, weil sie Flüchtlinge sind. Sie sind schuld, wenn sie nach Essen anstehen, dass sie einen Zahnersatz brauchen, wenn die Kassiererin laut „Schon wieder Flüchtlinge“ ruft und ihnen keine Zigaretten verkauft. Und: Sie sind sogar schuld an den Übergriffen der Rechtsradikalen auf ihre Wohnheime und an Morden, die sie begehen.

Die Flüchtlinge drücken den Kopf auf die Brust und pressen den Mund zusammen. Wenn sie keine Angst hätten, dass mit Worten Flammen kommen und sie verbrennen oder Rauch sie erstickt, würden sie sprechen. Dann würden die Minister sie bestimmt verstehen und ihnen rechtliche Sicherheit geben. Damit würden sie auch bei der eigenen Bevölkerung wirkliche Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen. In der Heimat der Flüchtlinge konnten die Rechtsradikalen die Macht vor dem Krieg übernehmen und sie bis heute halten, deshalb will die Zukunft dorthin nicht zurückkehren. Zukunft kann es nur dort geben, wo Bedürftige Schutz und Verständnis genießen. Ängstlich und verzweifelt warten die Flüchtlinge auf die Entscheidung der Innenminister. BOSILJKA SCHEDLICH

Geschäftsführerin des Südosteuropa Kulturvereins Berlin