Ende eines Juniordiktators

Sierra Leones ehemaliger Militärherrscher Strasser ist in Gambia verhaftet worden

BERLIN taz ■ Valentin Strasser, der jetzt in Gambia verhaftete Exdiktator von Sierra Leone, war einst der jüngste Diktator der Welt, ein schüchterner und ungelenker Soldat. Im Alter von 26 Jahren war er 1992 von aufständischen Soldaten in Sierra Leone an die Macht gehievt worden, als der Präsident gerade verreist war. Vier Jahre später musste er sich mit zwei Koffern ins Nachbarland Guinea retten, als seine Waffenbrüder ihn wieder stürzten.

Seine Reichtümer verlor er; die UNO bezahlte Strasser 1997 einen Jurastudienplatz an der englischen Universität Warwick. Als Expräsident kaum älter als seine Kommilitonen, wurde Strasser im Hörsaal nicht so recht glücklich. Ein Jahr später – in Sierra Leone war mittlerweile wieder geputscht worden – entzog die UNO ihm sein Stipendium. Strasser zog sich zurück, las Spionagethriller und geriet in Vergessenheit. Festgenommen wurde er nur einmal, als er im vergangenen April das Auto seiner Freundin im Streit demoliert hatte. Das gefährdete seinen Aufenthaltsstatus in Großbritannien mehr als die Forderungen von amnesty international, ihn wegen Mord und Folter vor Gericht zu stellen.

Erst im September spürten ihn britische Journalisten in seiner Sozialwohnung im Londoner Stadtteil Islington auf. Die plötzliche Aufmerksamkeit gefiel Strasser nicht. Am 27. Oktober reiste er nach Gambia, das von dem nur wenig älteren ehemaligen Militärputschisten Yahya Jammeh regiert wird. Der fand, sein Land sei kein „Fluchtort für Kriminelle“, und schickte ihn nach einer Woche zurück. Da konnten ihn die Briten auch nicht mehr aufnehmen. Eine Woche später flog Strasser wieder nach Gambia. Völlig entnervt wiesen die gambischen Behörden ihn am 15. November nach Sierra Leone aus. In letzter Minute intervenierte der sierra-leonische Botschafter auf dem Flughafen und nahm den Expräsidenten bei sich auf. Gambias Zeitungen schimpften.

Letzte Woche, so wurde am Mittwoch offiziell bekannt, nahm Gambias Geheimdienst Strasser auf einer Landstraße außerhalb der Hauptstadt fest. Er habe Dokumente mit Beschreibungen „strategischer Orte“ bei sich gehabt, hieß es. Wollte er sich in seiner bürgerkriegsgeplagten Heimat zurück an die Macht putschen? Das bleibt offen wie auch, was jetzt mit Strasser passiert. Vielleicht sieht er jetzt erstmals seit fast fünf Jahren Sierra Leone wieder – als Gefangener. DOMINIC JOHNSON