Baustelle: Die Polen vom Potsdamer Platz

Die Kreuzberger Regenbogenfabrik veranstaltet Themenabende, um an die verheerenden Arbeitsbedingungen beim Bau der neuen Mitte zu erinnern

Die Kräne sind weg. Der Potsdamer Platz ist fertig. Doch es sollte nicht vergessen werden, wer ihn gebaut hat. Damit dies nicht passiert, veranstaltet das Kreuzberger Kino in der Regenbogenfabrik Themenabende zu den Arbeitsbedingungen auf der zeitweilig größten Baustelle Europas in Berlin. Gezeigt wird der Dokumentarfilm „Die Polen vom Potsdamer Platz“ von Dorothee Wenner und Kornel Miglus. Zu hören gibt es das SFB-Radiofeature „Die Großbaustelle“. Die Leute von der Regenbogenfabrik hängen kritische Schautafeln auf. Und auch ein ehemaliger Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator der debis-Baustellenleitung ist da: Jürgen Rubarth ist 1998 von seinem Arbeitgeber fristlos entlassen worden, weil er gedroht hatte, die Öffentlichkeit über die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter zu informieren, wenn sich die Situation nicht umgehend verbessere. Geändert hat sich damals nichts. Aber seit seiner Kündigung klärt Rubarth die Allgemeinheit umso beharrlicher über die Missstände auf der Potdamer-Platz-Baustelle auf. Das nächste Mal am Montag in der Regenbogenfabrik.

Dabei lässt die Kritik Rubarths und der anderen Beiträge die heute glänzenden Fassaden am Potsdamer Platz weniger hell strahlen. 5.000 Menschen aus 20 Nationen arbeiteten bisweilen auf der Großbaustelle. Um Fertigstellungstermine einzuhalten, wurden Fremdfirmen mit ungelernten Arbeitern angeheuert, erklärt Rubarth. Üblich waren ein 14-Stunden-Tag, die Bezahlung schnurrte auf Löhne von fünf Mark die Stunde und darunter zusammen. Der gesetzlich festgelegte Mindestlohn liegt für EU-Länder dagegen bei 16,80 Mark.

Aus dem Feature erfährt man überdies, dass manche Unternehmen ihren ausländischen Arbeitern luxushotelverdächtige 1.600 Mark für die Unterkunft im Container und belegte Brote vom Monatslohn abzogen. Rubarth berichtet von Arbeitern, die ohne Gerät und Schutzkleidung gekommen seien. Gerüste seien aus Getränkekästen und Baumaterial gebastelt worden.

Mindestlöhne und Arbeitsschutz konnten bei dem Großprojekt durch ein kompliziertes Wurzelgeflecht von Sub-Subunternehmen unterlaufen werden. Dabei vermochten nur die kostengünstigsten Unternehmen gegen die Konkurrenz zu bestehen. „Wer als Unternehmer Gesetze, Unfallverhütungsvorschriften und Tarife respektiert, hat schlechte Chancen, an Aufträge zu kommen. Er kann nicht billig genug sein“, steht auf einer Schautafel. Oft erstatteten Unternehmen sogar Anzeige gegen illegale Arbeiter, die sie selbst eingestellt hatten. Die Arbeitgeber mussten dann keinen Lohn mehr zahlen. Das Bußgeld für die Beschäftigung von Illegalen kam sie billiger. Trotz dieser Vorkommnisse sagt der polnische Bauarbeiter Zygmunt Mscicz im Film zäh: „Ich werde weiterarbeiten, solange ich kann.“ Immerhin sei inzwischen ein Gesetz in Planug, dass eine Generalhaftung für Bauunternehmer vorsieht, sagt Rubarth. Demnach müssten Unternehmen, bevor sie den Zuschlag für einen Bauauftrag erhalten, eine Bürgschaft für die Löhne übernehmen und die Sozialabgaben entrichten. Wann ein solches Gesetz indes tatsächlich verabschiedet wird, ist offen. KIRSTEN KÜPPERS

„Großbaustelle Potsdamer Platz“ am 27. November in der Regenbogenfabrik, Lausitzer Straße 22, 10999 Berlin, fon: 618 54 25.