Schiene frei für Europabahn

Die EU will den Schienengüterverkehr bis zum Jahr 2008 weitgehend öffnen

BERLIN taz ■ Für Kurt Bodewig scheint das Timing gelungen. Kaum hat der Sozialdemokrat seinen neuen Job als Bundesverkehrsminister angetreten, fällt ihm eine wichtige Voraussetzung für sein Ziel, mehr Konkurrenz auf die Schiene zu bringen, praktisch in den Schoß. Am Donnerstagnachmittag einigten sich der EU-Ministerrat und das Europäische Parlament im Vermittlungsausschuss auf die Öffnung des Schienengüterverkehrs.

EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio erklärte, damit sei „der erste Schritt zu einer europäischen Eisenbahn“ getan. Andere EU-Vertreter sprachen sogar von „Durchbruch“ und „wirkliche Revolution“. Petra Niss, Sprecherin des Verkehrsclub Deutschland (VCD), zeigte sich zurückhaltender. Der taz sagte sie: „Es ist gut, dass man mal anfängt, die starren nationalen Strukturen aufzubrechen.“ Die bislang bekannt gewordenen Maßnahmen reichten jedoch nicht aus, und der Stufenplan ende offenbar weit vor einer vollständigen Liberalisierung.

Ab 2003 soll zunächst ein von Brüssel definiertes transeuropäisches Teilnetz (TEN) freigegeben werden. Spätestens 2008 sollen die EU-Eisenbahnunternehmen im internationalen, also grenzüberschreitenden Verkehr das gesamte Schienennetz aller Mitgliedsstaaten nutzen können. „Dass ausländische Unternehmen auch innerhalb eines Landes operieren dürfen, ist gar nicht vorgesehen“, bemängelte Niss. Auch fehle eine Perspektive für den Personenverkehr. Nicht zuletzt müsse sicher gestellt werden, dass eine unabhängige Stelle in den Ländern über die Zulassung von Eisenbahnunternehmen sowie die Trassengebühren entscheide. Der EU-Kompromiss sieht vor, dass die Regulierung auch in einem Ministerium angesiedelt werden kann.

Die Gebühren sollen sich grundsätzlich am so genannten Vollkostenprinzip orientieren, also Bau- und Unterhaltskosten berücksichtigen. Bahndienstleistungen und Netze sollen deswegen unabhängig voneinander betrieben werden. Die Verhandlungspartner hielten es aber nicht für notwendig, beide Bereiche auf operativ getrennte Unternehmen zu verteilen, wie das Parlament forderte. Eine bloß organisatorische Trennung in unterschiedliche Unternehmensbereiche derselben Gesellschaft soll genügen.

Das könnte bedeuten, dass beispielsweise die DB AG ihre Konstruktion behalten darf – allerdings müsste DB-Chef Helmut Mehdorn nachweisen, dass Wettbewerber tatsächlich „einen undiskriminierten Zugang zum Netz“ hätten. Das stellen Kritiker jedoch in Frage (siehe taz vom 25. 9. 00). Auch die Grünen fordern klare Trennungen und wollen am Montag ein entsprechendes Positionspapier vorstellen.

Die EU-Kommission hatte bereits 1991 einen Grundsatzbeschluss zur Liberalisierung der Eisenbahn gefasst. Vor allem Frankreich sträubte sich jedoch lange, weil es den „service public“ in Gefahr sah. BEATE WILLMS