Verdächtige leugnen Tatbeteiligung

Im Mordfall des sechsjährigen Joseph behauptet ein Verdächtiger, zur Tatzeit nicht im Schwimmbad gewesen zu sein. Ein zweiter will nichts gesehen haben. Ein Festgenommener soll zur rechten Skinheadszene gehören. Biedenkopf reist nach Sebnitz

von BARBARA DRIBBUSCH
und HEIKE HAARHOFF

Sebnitz ist in Aufruhr: Die Stadt in Ostsachsen, in der vor drei Jahren der kleine Joseph Abdulla von Neonazis ertränkt worden sein soll, hat jetzt zu einer Lichterkette gegen Extremismus und für mehr Zivilcourage aufgerufen. Auf einer Sondersitzung am Donnerstagabend beschloss der Stadtrat, am 3. Dezember mit der Protestaktion auf dem Marktplatz an den Tod des Jungen zu erinnern. Sogar der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf erschien gestern bei den Eltern des Jungen und hielt in ihrer Apotheke eine Pressekonferenz ab.

„Ich erwarte, dass sorgfältig und schnell Licht in das Dunkel gebracht wird und dass jedem Hinweis nachgegangen wird“, sagte Biedenkopf.

Zwei der drei Festgenommenen leugnen unterdessen jegliche Tatbeteiligung. Einer der Verdächtigen habe für die Tatzeit ein Alibi angegeben, das derzeit überprüft werde, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Claus Bogner. Der zweite Verdächtige behaupte, zwar im Schwimmbad gewesen zu sein, aber nichts gesehen zu haben.

Die drei jungen Leute, zwei Männer und eine Frau, im Alter zwischen 20 und 25 Jahren waren unter Mordverdacht festgenommen worden. Sie sollen im Juni 1997 den sechsjährigen Joseph, Sohn eines gebürtigen Irakers, im Freibad von Sebnitz erst mit einem Elektroschockgerät misshandelt und dann ins Wasser geworfen haben. Der Junge war mit seiner damals elfjährigen Schwester in das Bad gekommen. Sie hatte ihren Bruder eine Weile aus den Augen gelassen.

Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes Dresden werden zwei der Verdächtigen nicht dem rechtsradikalen Milieu zugeordnet. Der dritte Festgenommene gehört nach Angaben von Oberstaatsanwalt Helmut Renz möglicherweise der rechtsextremen Organisation „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) an.

Die drei Verdächtigen waren festgenommen worden, nachdem die Mutter von Joseph Abdulla jahrelang rund 15 Zeugenaussagen gesammelt hatte.

Die Zeugen waren an dem fraglichen Nachmittag im Schwimmbad gewesen und hatten von Misshandlungen des Jungen berichtet. Ein zur Tatzeit elfjähriger Zeuge gab an, gesehen zu haben, wie der Junge ins Wasser geworfen wurde. Danach seien noch andere Jugendliche auf ihn draufgesprungen.

Nachdem im August die von der Mutter gesammelten Zeugenaussagen bei der Staatsanwaltschaft in Dresden eingetroffen waren, wurden die drei wichtigsten Zeugen nacheinander richterlich vernommen, zuletzt zu Beginn dieser Woche. Danach kam es zu den Festnahmen.

Die Eltern hatten nicht nur Zeugenaussagen gesammelt. Beim gerichtsmedizinischen Institut in Gießen ließen sie den toten Jungen im Herbst 1999 noch einmal obduzieren sowie alte Blutproben untersuchen. Die Gutachter in Gießen bewerteten auch alte Fotos des toten Jungen. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau kamen sie dabei zu dem Schluss, dass auf den Fotos ein Hämatom am rechten Ohr des Jungen zu erkennen sei.

Die Eltern hatten die schriftlichen Zeugenaussagen auch vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen bewerten lassen. Dies kam zu dem Schluss, dass die Ermittlungen zum Tod von Joseph neu aufgerollt werden müssten. Die Staatsanwaltschaft hatte im Mai 1998 die Ermittlungen zum Tod des Jungen eingestellt und lediglich Tod durch Ertrinken festgestellt. Joseph war Nichtschwimmer.

Eine der Festgenommen soll nach Angaben des Vaters des Jungen, Saad Abdulla, die Tochter eines CDU-Stadtrates sein. Abdulla stellte gestern eigene Zusammenhänge zum Tod seines Sohnes her. Der Vater führt in dem 10.000-Einwohner-Ort Sebnitz eine Apotheke. Auch der CDU-Stadtrat betreibt nach Abdullas Angaben eine Apotheke. Der Konkurrent sei ihm von Anfang an feindlich gesonnen gewesen.