Griesgrame labern nicht

Nach dem 0:1 in Rostock ereifert sich der Hamburger Sportverein über den fremdbestimmten Kräfteschwund und hofft auf baldige Verstärkung durch Hansa-Torhüter Martin Pieckenhagen

aus Rostock MARKUS VÖLKER

Geht es nach dem Zeugwart des FC Hansa Rostock, dann sollte Martin Pieckenhagen (29) seine Sachen packen, und zwar schnell. Der Torhüter trödelte nach dem Spiel im Bauch des Ostseestadions herum, Fernsehteams konfrontierten ihn mit den immer gleichen Fragen: Wann wechsle er denn nun zum Hamburger Sportverein, wann werde der Vertrag unterschrieben, schlage sein Herz nicht bis zum Hals für den Ostverein und könne er es somit über selbiges bringen, einfach zu gehen. Zeugwart Andreas Thiem, der akrobatisch Alukoffer mit schweißgetränkten Trikots und verdreckten Schlappen durch den Schlamm der Stadionbaustelle balancierte, sprach mürrisch: „Nur Piecke fehlt noch. Mensch. Der soll seine Sachen eben selbst mit nach Hause nehmen.“

Pieckenhagen versuchte indessen, sich weiteren Auskünften mit einer Körperfinte zu entziehen, blieb aber an einem Mikrofon hängen und verkündete das Wort zum nahenden Sonntag. Schon bald, dann nämlich, wenn der erste Schnee falle, werde er sich offenbaren. Und ganz generell gelte ja in der Branche: „Sooo viel Geld kann man im Fußball heut zu Tage auch nicht mehr verdienen.“ Ist er zufrieden mit seinem bescheidenen Salär bei den Rostockern, oder ist das Angebot des HSV (noch) zu niedrig? „Lassen wir das Rumgelaber“, sagte er und verschwand hinter den Containern, die in der Umbauphase als Kabinen dienen.

Auch Frank Pagelsdorf sagte gewohntermaßen nur das Nötigste zur 0:1-Niederlage seines Teams vor 14.500 Zuschauern. Er hätte ein Unentschieden erwartet, angesichts seines überanspruchten Personals sogar erhofft – doch Magnus Arvidsson traf in der 85. Minute, nachdem er Hamburgs Abwehrspieler umkurvt hatte. „Das war Pech“, sagte Pagelsdorf. Arvidsson gab zu: „Ich habe eigentlich nur auf den Ball geschaut.“

Und während Heimtrainer Friedhelm Funkel versuchte, seinen Kollegen an Griesgrämigkeit zu überbieten und kaltnasse Nebelschwaden das Grau des Betons umwaberten, erwärmte man sich an zwei kleinen, bunten Geschichten. Arvidsson traf mit dem viel zu großen Schuh des Kollegen Hilmar Weilandt. Zuvor riss der Schnürsenkel des Schweden. Und: Funkel mietete eine Wohnung in Rostock an. Vermieter: Pagelsdorf.

Die Laune der Hamburger konnten die belanglosen Episoden nicht heben; nach dem zweiten Einsatz innerhalb von 48 Stunden und der Anreise aus Rom war sie gründlich verdorben. Co-Trainer Armin Reutershahn plädierte in der Sache der Spielansetzungen auf „Körperverletzung“. Sportdirektor Holger Hieronymus meinte misanthropisch, das sei „im Grunde“ nicht zumutbar. „Im Moment macht es nicht so viel Spaß. Wenn ich an den körperlichen Zustand der Mannschaft denke, wird mir mulmig“, sagte er und hatte wohl die neue Verletzung von Jan Sandmann im Sinn oder auch Andrej Panadic, der schon seit Wochen „mit Schmerzen“ spielt. „Das soll aber nicht als Alibi oder Ausrede gelten, wir spielen ja kein Ballett, sondern Fußball“, sagte der Abwehrspieler. „Wir waren einfach schlechter“, hatte auch Pagelsdorf zuvor schon erkannt.

Funkel reagierte auf die stille Wehklage des HSV empfindlich: „Wir haben mit Uerdingen 1986 mal sieben Spiele in 14 Tagen gemacht und keines verloren“, erinnerte er sich. „Und wir hatten keinen Kader von 26 Mann. So viel zum Thema Belastung.“

Die Hansestädter sind nun Tabellennachbaren, Zehnter und Elfter. Funkel wars nach einer Serie von fünf sieglosen Spielen zufrieden. Man sei noch immer keine „Weltklassemannschaft“, ermunternd sei aber „die Laufbereitschaft“ gewesen, schließlich gilt: „Die Defensive ist die Basis zum Klassenerhalt.“ Pagelsdorf grummelte seinerseits, wohl oder übel müsse in den kommenden vier, fünf Spielen der Anschluss zu den Tabellenrängen her, die internationale Wettbewerbe garantieren.

Und, Herr Pagelsdorf, vielleicht noch ein Satz zur bevorstehenden Verpflichtung von Martin Pieckenhagen? Nö.

Hansa Rostock: Pieckenhagen - Jakobsson - Yasser (76. Lange), Schröder, Emara - Rydlewicz, Wibran, Brand (77. Baumgart), Lantz - Arvidsson (89. Oswald), Agali Hamburger SV: Butt - Hertzsch, Hoogma, Panadic, Sandmann (72. Kruse), Töfting, Barbarez, Präger, Mahdavikia (62. Kientz), Bester, Heinz (46. Yilmaz) Zuschauer: 14.500; Tor: 1:0 Arvidsson (86.)