Der Duft der Politik

Das Parfum und der Zeitgeist: Die Sozialsenatorin ist streng, aber sonnig, und der Bürgermeister mag es natürlich friesisch herb  ■ Von Peter Ahrens

Rot-grüne Senatspolitik riecht nach Jil Sander, Woman No. 3. Sozialsenatorin Karin Roth zum Beispiel will sich damit, so der Fachmann, ein „zunächst etwas strenges, dann aber auf subtile Weise doch ein sonnenwarmes, strahlendes Flair“ verpassen. Das muss man als gelungen bewerten: Nie war eine Senatorin so sonnenwarm. GAL-Frontfrau Krista Sager und SPD-Schulsenatorin Ute Pape benutzen es übrigens auch.

Der Fachmann heißt Albert Thomas, kommt aus einer Aachener Parfumdynastie und hat den Zusammenhängen zwischen Politik und Duft nachgeschnüffelt. Heute hält er über das Parfum und den Zeitgeist im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung einen Vortrag – die Männer hat Thomas darüber leider vergessen. Die riechen nämlich auch, und Politik machen sie zuweilen auch noch. Wie riecht unser Bürgermeister? Nach Ringelblume? Oder eher ostfriesisch herb? Die Frage bleibt unbeantwortet, musste von Wagemutigen (taz) selbst ertestet werden.

Also die Frauen: Die Senatorinnenriege nebelt sich demnach mit dem Duft der Businessfrau der 80er Jahre ein, der Geruch der Coolness, so Thomas, der die schweren Düfte der 70er ablöste, damals als Yves Saint-Laurent ein Parfum mit dem Namen Opium herausgab. Davor die 60er mit den aufkommenden Männerdüften à la Brut im Gefolge von Jeans und James Dean. Davor die 50er: Maiglöckchenduft, die Frauen sollten irgendwie weiblich riechen und sich dabei möglichst auf Heim und Herd beschränken. Davor die Nazi- und Kriegszeit, wo in Frankreich ein Parfum kreiert wurde, das den Geruch der schweren Gestapomäntel wiedergab. Und davor die 20er, der Aufbruch der Frauen zu Wahlrecht, kurzen Haaren und Beruf: Coco Chanel No. 5 kommt auf den Markt, der Stöpsel wie ein Bubikopf, der Flacon wie ein Hosenanzug gestaltet.

Und heute: „völliger Mischmasch, Beliebigkeit, keine Beständigkeit“, wie Rita Bake von der Landeszentrale für politischen Bildung Thomas' Thesen zusammenfasst. Im Zeitalter des Internet wird mal hier, mal da duftmäßig gezappt. Kein Zufall, dass jetzt die ersten Gerüche zu haben sind, die ihre Namen aus der Computersprache bekommen haben. 120 Düfte sind allein in diesem Jahr neu auf den Markt gekommen, auch das passt.

Völliger Mischmasch ebenfalls in der Hamburger Politik. Beim Riechen sowieso. Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt hüllt sich vorzugsweise in Allure, „einen vanillig-ambrahaltigen Duft, dessen Herznote klar den Gourmetcharakter erkennen lässt“, und ihre grüne Stellvertreterin Sonja Deuter hält es mit Rosenholz, das hört sich richtig erdverbunden an, „feminité du bois, eau timide“. Das klingt nach Straßenkampf, Hausbesetzung, Sitzblockade, Anti-AKW-Demo.

Und die Männer? Wenn der Fachmann das schon nicht analysiert, muss es die taz tun. Verkehrssenator Eugen Wagner sprüht sich Route Cyclable hinter die Binde, Innensenator Hartmuth Wrocklage benutzt Tränengas No. 5, sein Wirtschaftskollege Thomas Mirow favorisiert Le Dasa No. 3XX, und Bürgermeister Ortwin Runde, das wissen wir zuverlässig von den Supernasen aus der CDU, riecht nach Pate du filz.

Der Vortrag „Der Duft, der Politik begleitet“ heute abend in der Patriotischen Gesellschaft ist bereits ausverkauft.