Ruf einer Epoche

Heute im Schlachthof: Gary Numan präsentiert sich musikalisch dunkler mit „Pure“  ■ Von Karen Schulz

Gary Numan – ein Name, der Erinnerungen weckt. Das war doch dieser ungelenke Dandytyp, der mit Songs wie „Are Friends Electric?“ oder „Cars“ Ende der 70er und Anfang der 80er zu den Begründern des typischen Sounds des Jahrzehnts der Yuppies und Popper gehörte: elektronische Musik par excellence? Unter anderem Gary Numans Songs waren verantwortlich für den musikalischen Ruf einer Epoche – bevor auch diese Stilrichtung der Kommerzialisierung anheim fiel und von allzu poppigen Bands verwässert wurde.

Mit Pure hat Gary Numan ein neues Album veröffentlicht und tourt damit; heute bespielt er Hamburg. Da bleibt die Frage nicht aus, ob da einfach ein weiteres der 80er-Revivals wartet, mit denen wir dieser Tage überschüttet werden, da das Jahrzehnt, durch die nostalgisch-verklärende Brille betrachtet, fast stündlich an Hipness gewinnt. Reicht es nicht, dass erst vor wenigen Tagen a-ha wieder in Hamburg aufgetreten sind? Müssen die grauen Anzüge mit Spenzerjäckchen und pastellfarbenen Hemden wirklich wieder entmottet werden?

Zu dieser Sorge ist hier kein Anlass: Immerhin legt Gary Numan mit Pure bereits sein siebzehntes Studio-Album vor. Von Revival also keine Spur, auch wenn außerhalb einer kleinen Fangemeinde wohl nicht allzu viele seinen Werdegang über die vergangenen 22 Jahre hinweg verfolgt haben dürften. Mit Pure fügt sich Gary Numan endgültig in die Soundlandschaft der späten 90er Jahre ein: Vergleiche mit Nine Inch Nails oder Marilyn Manson drängen sich auf und haben entsprechend in Rezensionen Hochkonjunktur. Das Album wartet mit dunklen, auch Ambient-ähnlichen Klängen, metallischen Samples und aggressiven Tönen auf – eine Entwicklung, die sich schon auf Numans vorangegangenen Alben Sacrifice und Exile abzeichnete.

Doch wo Numan auf Exile noch zögerlich mit Crossover-Sounds umging, sich mit zurückgenommenem Gesang präsentierte und vor allem inhaltlich dunkel war, ist Pure kraftvoller und vor allem musikalisch dunkler. Atmosphärisch dicht, fast filmisch und in Teilen rockig kommt das Album daher und ist damit weitaus ausgereifter als Numans vorherige Arbeiten.

In einem Interview erklärte Numan, dass er für Pure deutlich konzeptioneller gearbeitet habe – eine große Menge an Songmaterial hat seinen Weg nicht auf die CD gefunden, weil sie seinem Ziel, einen aggressiven Sound an unterschiedlichen Songtypen bis hin zur Ballade auszutesten, nicht entsprach. Das Ergebnis: Die Songs auf Pure halten seinem Anspruch stand, sind spannungsvoll und bieten unterschwellige Dynamik. Abgerundet wird das Ganze von Numans variationsreichem Gesang, der gut ausgelotet ist und auch hier eine deutliche Entwicklung zum vorherigen Album zeigt (Anspieltipp: der Titelsong).

Damit bietet Pure eine Mischung, in der sich zwar Spuren der 80er und 90er finden, die aber trotzdem einen eigenständigen Sound des neuen Jahrtausends darstellt und sich gut hören lässt – schließlich ist diese Musik unseren Ohren nicht mehr gänzlich unbekannt. Das mag vielleicht für manche eine Enttäuschung in punkto Numan darstellen: Mit Pure wird kein musikalisches Neuland betreten, wie man es von den frühen Arbeiten Gary Numans kannte. Trotzdem: Für Fans von Crossover-Musik wie für Leute, die auf einen aktuellen Musiktrend im Independent-Bereich gespannt sind, lohnt es sich allemal, genauer hinzuhören.

heute, 20 Uhr, Schlachthof; MP3s unter www.numan.co.uk