GRÜNE WOLLEN DER BAHN DAS NETZ WEGNEHMEN
: Revolution auf Schienen

Man könnte es sich ganz einfach machen. Bei der Telekommunikation und beim Strom hat die Deregulierung auch gewirkt: Das Ende des Staatsmonopols hat die Unternehmen gezwungen, ihr Angebot zu verbessern und die Preise zu senken. Ganz so einfach ist es bei der Bahn nicht. So muss – anders etwa als bei der Telekommunikation – jeder Neuanbieter erst einmal Milliarden in seinen Fuhrpark und die Technik investieren.

Trotzdem: Der Ansatz der Grünen ist richtig. Die Bahn muss sich ändern. Im Frachtbereich etwa hat die alten Behördenbahn ein effizientes und modernes Logistiksystem lange verschlafen und so zu ihrer Misere kräftig beigetragen. Nur wenn die Bahn mit diesen Missständen aufräumt, lässt sich politisch der zweite Schritt angehen: den ungleichen Wettbewerb zwischen Straße und Schiene zugunsten der Bahn zu verändern. Das ist nach wie vor nötig, wenn Deutschland nicht im Auto- und Lkw-Verkehr ersticken will.

Natürlich wehrt sich Bahn-Chef Mehdorn dagegen, das Netz abzugeben. Wer wollte nicht gleichzeitig Bock und Gärtner sein. Doch inzwischen sollte klar sein, dass Verkehrspolitik in Deutschland mehr sein muss als Besitzstandswahrung für den Bahnkonzern und seine Beschäftigten. Es geht darum, ob der Transport von Menschen und Waren endlich effektiv gestaltet wird. Da kann natürlich nicht der größte Kunde auch gleichzeitig der Regulierer sein. Also darf das Netz nicht länger bei der Bahn bleiben.

Ob die Grünen sich mit dieser radikalen Forderung durchsetzen, ist eine andere Frage. Doch auch wenn die Bahn und die SPD ihren Widerstand gegen den Verlust des Netzes verstärken, bringt die grüne Idee im politischen Handgemenge vielleicht doch einen Fortschritt: Statt der bisher geplanten Regulierungsbehörde beim Eisenbahn-Bundesamt (wo man in manchen Amtsstuben immer noch der guten alten Bundesbahn hinterhertrauert) könnte es wenigstens ein echtes, also unabhängiges Aufsichtsamt geben. Das wäre immerhin mehr, als bisher für den Strommarkt erreicht wurde. BERNHARD PÖTTER