Die Zeugen, die Fragen, die Medien

Erst nach langem Kampf der Mutter wurden die Ermittlungen der Polizei wieder aufgenommen

BERLIN taz ■ Drei Jahre hatte Renate Kantelberg-Abdulla Zeugenaussagen gesammelt, um zu belegen, dass ihr Sohn im Schwimmbad in Sebnitz nicht ertrunken ist, sondern von einer Gruppe Jugendlicher ermordet wurde. Ein Verschulden Dritter am Tod des sechsjährigen Joseph wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft ausgeschlossen.

Die detaillierteste Aussage, die Josephs Mutter protokolliert hat, stammt von einem zur Tatzeit zwölfjährigen Jungen. Er will gesehen haben, wie ihr Sohn im Freibad von drei Jugendlichen geschlagen, als „Ausländerschwein“ beschimpft und misshandelt wurde. „Sie haben ihn in das Handtuch gewickelt. Dann sind sie mit ihm hinter zum tiefen Becken gegangen.“ Dort soll Joseph getreten und untergetaucht worden sein.

Insgesamt dreißig Erklärungen hat die Mutter gesammelt – und Bild und Bild am Sonntag gegeben. Bild am Sonntag veröffentlichte mehrere Aussagen unter der Überschrift „Die Protokolle der Schande“ im Wortlaut. Beide Blätter rekonstruierten den Fall aus Sicht der Mutter. Am Donnerstag, dem Tag der ersten Veröffentlichung, kamen Journalisten aus der ganzen Bundesrepublik nach Sebnitz. Die Zeitung Die Welt berichtete unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AP, das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen habe eine eingeschworene Gemeinschaft Ortsansässiger ausgemacht, die eine „dumpfe Atmosphäre“ verbreite. Nach einem Gutachten des Instituts waren die Ermittlungen zuvor wieder aufgenommen worden.

Auch nach den neuen Ermittlungen sieht der Dresdner Oberstaatsanwalt „bisher keine Erkenntnisse“ für einen rechtsradikalen Hintergrund des Falles. Die Ermittler prüfen auch, ob die Familie des Opfers Zeugen kleine Geldsummen gegeben hat, warnen jedoch in diesem Zusammenhang vor einem „falschen Zungenschlag“. R. GEISSLER