Die Sintflut der Millionen

■ Ein Ex-Pastor schlägt vor, evangelische Kirchengemeinden in Horn zu Halligen auszubauen / Es geht um die Klimakatastrophe, eine alte Wette und viel Geld / Devise: Ein Ringdeich zahlt sich aus, Umweltschutz auch

Und die Wasser wurden immer mächtiger über der Erde, sodass alle hohen Berge unter dem ganzen Himmel bedeckt wurden.

(1. Mose 7, 19)

ass die Welt untergehen wird, ist zumindest in bibeltreuen Kreisen schon lange bekannt. Allein, dass es so schnell gehen würde, hat doch so manchen überrascht. Die UNO-Klimakonferenz in Den Haag ist gescheitert, Versicherungen bekommen prä-apokalyptische Gefühle, die Meere steigen, die Stürme stürmen, die Engel des Zorns polieren ihre Posaunen. Und was unternehmen die Kirchengemeinden Horn I & II? Nichts.

Dabei haben sie allen Grund, sich für Gedeih und Verderb des Weltklimas zu interessieren. Grund ist eine Wette aus dem Jahr 1985, die Pastor i.R. Friedrich Bode angesichts der stetig steigenden Fluten jetzt wieder in den Sinn kam. Inhalt: Sollte die evangelische Gemeinde im Jahr 2185 – also 200 Jahre später – noch existieren, bekommt sie zig Millionen Mark ausgezahlt. Sollten die Horner jedoch Seit an Seit mit dem norddeutschen Tiefland versunken sein, geben die Taler – absurder Gedanke! – an das Land Bremen. Von 42 bis zu 73 Milionen ist die Rede, die sich bis zum Stichtag auf einem eigens angelegten Sparbuch angehäuft haben könnten. Wettpartner sind der verstorbene Altbundespräsident Dr. Karl Carstens und der Ex-Pastor.

An einem schönen Maienmorgen des Jahres 1985 hatten, wie Bode schreibt, beide gemeinsam auf der Pastorenbank der Horner Kirche Platz genommen. Anlass: Das Fest zum 800-jährigen Bestehen der Gemeinde. Als ein Kollege auf der Kanzel prophezeite, dass die Horner Protestanten ganz sicher auch ihr 1000-Jähriges feiern würden, geschah es: Der umweltbewegte Pastor sagte leise zu sich: „Das wird mitnichten der Fall sein.“ Der Altbundespräsident darauf: „Aber selbstverständlich.“ Bode: „Wetten, dass dies nicht der Fall sein wird.“ Carstens: „Die Wette gilt!“

Nach einer längeren brieflichen Korrespondenz zwischen dem pessimistischen Geistlichen, Carstens und dem damaligen Sparkassendirektor Dr. Heinrich Frick kam folgende Einigung zustande: Es wurde ein Sparbuch mit vierjähriger Kündigungsfrist eingerichtet, Carstens überwies 300 Mark, der Bremer Pastor gab einen Hunderter. Sperrvermerk: Das Jahr 2185. Als durchschnittliche Verzinsung nahm man einen Satz von etwa sechs Prozent an. Seitdem schlummert das Sparbuch, wie der pensionierte Pastor annimmt, „kontinuierlich bezinst“ im Gemeindesafe.

Dort hat man allerdings andere Sorgen, als sich ernsthaft über den fernen Geldsegen Gedanken zu machen. Pastor Jürgen Mann, seit 1992 im Dienst, weiß nicht einmal, wo sich das Sparbuch mit zurzeit 1.000 Mark Einlage befinden könnte. Die ganze Angelegenheit sei doch Historie. „Das betrifft uns nicht“, sagt auch der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Bauherr Dr. Kai Seyffarth. Man müsse jetztsehen, wie man mit seinem Geld auskomme. Immerhin weiß er, wo das kleine rote Büchlein versteckt ist. Ein Blick in die Zukunft? „Die Gemeinde verliert Mitglieder, aber sie geht nicht unter“, sagt der Pastor. Und der Bauherr meint, dass Bode auf jeden Fall die Wette verliert. Von Vorfreude keine Spur.

Dabei mache der zu erwartende Gewinn doch mindestens die Hälfte des Jahreshaushalts der Bremischen Evangelischen Kirche aus, meldet sich Pastor Bode zu Wort. „Was könnte man nicht alles mit solch einer Menge Geldes anfangen, unausdenkbar!“ Da aus seiner Sicht die Klimakatastrophe schon da ist, schlägt er eine Reihe von Maßnahmen vor, um den Geldsegen für künftige Horner Protestantengenerationen zu retten: Die Deiche im Ober- und Niederblockland müssten erhöht werden. Gelinge dies nicht, müsse wenigstens versucht werden, „einen symbolischen Rest des Gemeindeareals den steigenden Fluten der Nordsee“ abzutrotzen. Strategie: Ein Ringdeich um die Gemeindezentren, in Eigeninitiative aufgehäuft. Die Festlandgemeinde Horn wird zur Hallig, um wenigstens die Geldfluten von oben abzukassieren.

Der öko-orientierte Theologe, seinerzeit durchaus umstritten bei der Gläubigenherde, fragt auch, ob die Gemeinde alles daran gesetzt habe, auf die Klima-Katstrophe hinzweisen. Will meinen: Engagement für die Umwelt kann sich lohnen, und das im ganz wörtlichen Sinne. Bode selbst ist pessimistisch geblieben: Er hat sich abgesetzt von der Küste und ist in die Lüneburger Heide gezogen. Sein Haus steht auf einem 40 Meter hohen Hügel, vermutlich aus Sand. Ob das reicht? hase