Heimsuchung Aids

Drei Millionen Aids-Tote in diesem Jahr, mehr als je zuvor. Die meisten davon in Afrika.36 Millionen sind weltweit infiziert. Endlich ist die Epidemie Thema der internationalen Politik

BERLIN taz ■ Die Zahl der Aids-Toten und HIV-Infizierten auf der Welt ist dieses Jahr auf ein Rekordniveau gestiegen. Nach neuesten Zahlen, die das UN-Aids-Bekämpfungsprogramm Unaids gestern vorlegte, werden bis Ende dieses Jahres auf der Welt 21,8 Millionen Menschen an Aids und Aids-Folgekrankheiten gestorben sein, davon im laufenden Jahr drei Millionen. Weltweit sind Unaids zufolge derzeit 36,1 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert – letztes Jahr waren es noch 33,6 Millionen.

Nach wie vor ist Afrika der am schwersten betroffene Kontinent. „Afrika ist die Heimat von 70 Prozent der Erwachsenen und 80 Prozent der Kinder, die auf der Welt mit HIV leben, und hat drei Viertel der weltweit über 20 Millionen Menschen begraben, die seit Beginn der Epidemie an Aids gestorben sind“, heißt es im Unaids-Bericht.

Ein Lichtblick: Zum ersten Mal war dieses Jahr die Zahl der Neuinfektionen in Afrika kleiner als im Vorjahr – 3,8 Millionen gegenüber 4 Millionen 1999. Die Zahl der Todesfälle stieg hingegen von 2,2 auf 2,4 Millionen.

„Die Aids-Situation in Afrika ist katastrophal“, betonte dennoch Unaids-Exekutivdirektor Peter Piot. „Besonders Besorgnis erregend ist, dass in den nächsten Jahren zunächst mit einer Verschlimmerung der Epidemie zu rechnen ist, bevor es zu einer Abschwächung kommt. Ein relativ bescheidener Beitrag – 3 Milliarden US-Dollar im Jahr – könnte in dieser Situation eine Wende herbeiführen. Das ist ein Bruchteil der 52 Milliarden, die in den USA jährlich wegen Fettleibigkeit ausgegeben werden.“

Alarm schlägt die UNO auch angesichts der Situation in der Ex-Sowjetunion. Es sei ein rasanter Anstieg der bisher sehr niedrigen Infektionsraten zu verzeichnen. In ganz Osteuropa stieg die Anzahl der HIV-Infizierten dieses Jahr von 420.000 auf 700.000. Die meisten der Neuinfizierten sind Drogenkonsumenten. Piot rief die osteuropäischen Regierungen zum Handeln auf: „Es besteht noch eine Chance, eine größere Katastrophe zu verhindern. Wichtig ist jetzt, dass die Regierungen der Region es als ein Problem anerkennen, das so schwerwiegend sein kann wie eine Wirtschaftskrise oder ein Bürgerkrieg.“

Der Unaids-Direktor betonte dennoch gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin Fortschritte beim weltweiten Kampf gegen Aids. „Vor diesem Jahr wurde Aids in den Entwicklungsländern ignoriert“, sagte er. „Heute steht es auf der Tagesordnung der internationalen Politik.“

DOMINIC JOHNSON

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