Jede Menge Dezibel

■ Sympathischer Faulpelz: Ex-„Dinosaur Jr.“-Kopf J Mascis mit neuer Begleitband und altem Schneid in der Markthalle

Es gibt einige alte Geschichten mit J Mascis als sympathischem Arschloch. Er galt zum Beispiel in mehrerlei Hinsicht als faul. In Interviews pflegte er auf lange Fragen einsilbig oder gar nicht zu antworten. Und weil er sich außerstande sah, eine Glühbirne auszuwechseln, missbrauchte er, so wurde kolportiert, den geöffneten Kühlschrank als einzige Lichtquelle seiner Wohnung. Eine gelangweilte Stimme und die langen Haare taten ihr übriges, um dem Sänger und Gitarristen von Dinosaur jr schon früh den Ruf eines unverbesserlichen Slackers einzubringen – freilich bevor man hierzulande mit diesem Begriff überhaupt etwas anzufangen wusste.

Zur selben Zeit, also Ende der 80er, kam der Wendepunkt für jene Band, die damals nicht nur SPEX zu einer der Weltbes-ten kürte. Dinosaur jr veröffentlichten mit Bug ihr drittes Album, das vorerst letzte für ein unabhängiges Label. Die Single „Freak Scene“ brachte mit süßer Melodie und krachenden Gitarrenriffs Mascis' Songwriter-Qualitäten auf den Punkt und wurde zur Hymne der US-Indierock-Szene. Ganz Diva, trennte er sich dann von seinem langjährigen Weggefährten, dem Co-Songwriter und Bassisten Lou Barlow, weil die Streitereien zwischen ihnen ein unerträgliches Maß erreicht hatten. Kaum zu glauben: Unter anderem soll es um die Frage gegangen sein, wessen Instrument denn nun auf der Bühne lauter sein durfte.

Barlow machte sich fortan mit seinem Lo-Fi-Projekt Sebadoh selbständig. Mascis trieb es mit Dinosaur jr im Zuge des großen Indie-Ausverkaufs, dem auch Bands wie Sonic Youth, Melvins, Soundgarden und Nirvana nicht widerstanden, in die Arme des Warner-Music-Imperiums. Hier brachte die Gruppe eine Handvoll akzeptabler Platten heraus, denen allesamt aber die Explosivkraft der frühen Werke fehlte. 1997 verkündete Mascis schließlich das endgültige Ende von Dinosaur jr. Das hätte – ohne, dass ihm jemand böse gewesen wäre – auch schon einige Jahre vorher passieren können, denn die letzten Alben entstanden sowieso mehr oder weniger unter der alleinigen Regie des Bandleaders. Den Mitmusikern dieser Periode, Mike Johnson (Bass) und George Berz (Schlagzeug), kamen wohl eher Statistenrollen zu.

Es mag Zufall sein, dass Mascis' aktuelles Album, von dem KritikerInnen immerhin behaupten, es sei das beste seit dem Dinosaur jr-Geniestreich You're Living All Over Me (1987), wieder auf einem Indie-Label erschienen ist. Könnte aber auch sein, dass der ehemalige Dinosaur jr-Chef mit dem alten Bandnamen sämtlichen damit verbundenen Ballast ebenfalls abgeworfen hat, um frei drauflos neue Songs für eine neue Gruppe zu schreiben. Im Studio standen ihm bei der Produktion von More Light (City Slang) niemand Geringeres als Kevin Shields von My Bloody Valentine und Guided By Voices' Bob Pollard zur Seite. Zur Live-Besetzung soll der ehemalige fIREHOSE- und Minutemen-Bassist Mike Watt gehören. Auf dem Programm stehen ein paar alte Hits, Stooges-Coverversionen und jede Menge Dezibel.

Michele Avantario

Sonntag, 21 Uhr, Markthalle, Supp.: Scumbucket