„Ich werde kein Vegetarier“

■ Im Interview: Professor Dimitrios Stavrou, Neuropathologe am UKE, fordert Vorsicht ohne Panik in Sachen BSE – und eine Umbennung

Wer kann was noch essen? Müssen wir uns vor Creutzfeldt-Jakob fürchten? Professor Dr. mult. Dimitrios Stavrou, Direktor der Abteilung für Neuropathologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, weist zunächst einmal darauf hin, dass die Krankheit eigentlich Jakob-Creutzfeldt heißen müsste. Denn der UKE-Arzt Alfons Jakob habe sie schon 1920 – vor seinem Kieler Kollegen Hans-Georg Creutzfeld – entdeckt.

taz hamburg: Ist die derzeitige Aufmerksamkeit für das Thema BSE gerechtfertigt?

Dimitrios Stavrou: Es ist eher eine Überreaktion. Das Auftreten zweier Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen hat mit BSE nichts zu tun.

Welche Formen sind das?

In beiden Fällen handelt es sich zunächst nur um einen Verdacht, denn die endgültige Diagnose kann man erst nach einer Hirnbiopsie beziehungsweise einer Hirnsektion stellen, also wenn der Mensch tot ist. In dem einen Fall geht man von einer sporadisch auftretenden, der klassischen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit aus. Der andere Patient, der junge Mann aus Süddeutschland, ist erblich vorbelastet.

Was ist mit der neuen Form, die mit Rindfleischkonsum in Verbindung gebracht wird?

Es gibt viele Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen den in England und Frankreich aufgetretenen Erkrankungen, der sogenannten Variante der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung (VCJD) und Rindfleischkonsum. Erwiesen ist er jedoch noch nicht. In Deutschland gibt es bisher keinen einzigen Fall dieser neuen Variante. An der klassischen Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit erkranken ein bis zwei Menschen pro einer Million Einwohner. Diese Zahlen sind seit der Entdeckung der Krankheit vor 80 Jahren unverändert.

Kann man also unbesorgt weiter Rindfleisch essen?

Es ist noch nicht erwiesen, dass eine Übetragung vom Rind auf den Menschen möglich ist. Aber so lange das auch nicht ausgeschlossen werden kann, ist Vorsicht geboten.

Essen Sie kein Rindfleisch mehr?

Doch, ich würde deshalb nicht Vegetarier werden und das auch niemandem raten. Natürlich esse ich auch lieber argentinisches Rindfleisch oder Fleisch aus Öko-Betrieben, aber letztlich sind wir auch dabei auf guten Glauben angewiesen.

Wurde das Problem zu lange unterschätzt?

Für eine Krankheit, die in Deutschland beschrieben wurde und immer wieder aufgetreten ist, hätte man sensibler sein können und beispielsweise die Verfütterung von tierischem Mehl an Wiederkäuer schon viel früher verbieten können. Dass Deutschland frei von BSE ist, stimmt schon lange nicht. Wir hatten bloß keine sensitiven BSE-Nachweistests. Auch jetzt sind die Tests noch sehr unempfindlich. Sie weisen die Prionen beispielsweise erst bei erwachsenen Tieren nach.

Finger weg vom Kalbfleisch?

Da ist Vorsicht geboten, da es bislang nicht getestet werden kann. In Bundesländern, wo die erwachsenen Tiere negativ sind, kann man davon ausgehen, dass die Kälber es auch sind. Aber auch der negative Befund sagt nicht viel aus, weil die zur Verfügung stehenden Schnelltests nicht sehr empfindlich sind.

Rollt in einigen Jahren eine Seuchen-Welle auf uns zu?

Vorausgesetzt, BSE ist wirklich auf den Menschen übertragbar, und die neue Variante der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit wird durch Rindfleisch-Konsum verursacht, werden wir in zehn bis 20 Jahren erheblich mehr Fälle haben. Aber jede Infektion hat ihre eigene Dynamik. Für den Ausbruch spielen auch andere Faktoren eine Rolle, beispielsweise genetische Prädispositionen.

Sind die politischen Konsequenzen die Richtigen?

Ich bin unbedingt für ein Tiermehl-Verbot. Und zwar für ein komplettes. Man sagt zwar, das deutsche Tiermehl werde auf 133 Grad erhitzt und somit sterilisiert. Aber je höher die Temperatur, desto minderwertiger das Tiermehl. Und wo Geld im Spiel ist, gibt es immer auch schwarze Schafe.

Fragen: Sandra Wilsdorf