Stumpf ist nicht mehr stumm

taz-Serie: Die Nebenbänkler, Folge 6. Reinhard Stumpf vom 1. FC Kaiserslautern trägt nach überstandener Rehhagel-Ära den Titel „Cheftrainer“, ist aber doch nur der Co von Andreas Brehme

Der „Co“ war unter Otto Rehhagel zum tiefen Schweigen verdammt

aus KaiserslauternGÜNTER ROHRBACHER-LIST

Eigentlich ist Reinhard Stumpf (39) gar kein Co-Trainer. Aber weil nach Otto Rehhagels Abschied vom Betzenberg der 1. FC Kaiserslautern nach neuen Lösungen suchte und der neue Teammanager Andreas Brehme lieber Golf spielt, als auf dem Trainingsplatz die Kommandos zu geben, darf Stumpf als „Co“ der „Cheftrainer“ sein. Unter Brehme, versteht sich, der sagt, wo es langgeht, und öffentlich Kritik austeilt, der seinem „Co“ als Dankeschön für die verrichtete Alltagsarbeit aber auch Nischen lässt – wie kürzlich, als Brehme unpässlich war. Solche Glücksmomente gab es für Reinhard Stumpf unter dem selbstgefälligen Rehhagel nie. Der ignorierte die Pressevertreter nach den obligatorischen Pressekonferenzen, und auch Stumpf musste im Hintergrund stumm bleiben.

1997 kam der im hessischen Lieblos geborene, als Spieler einst kompromisslose Verteidiger als Praktikant nach Kaiserslautern, um von Rehhagel zu lernen, und durfte, von des Meisters Gnaden, der eigentlich gar keinen Co-Trainer wollte, bleiben. Als der Alleinherrscher dann nach dem Gewinn der Meisterschaft 1998 Schalkes Assistenztrainer Hubert Neu auf den Betzenberg lotste, musste Stumpf eine Stufe nach unten auf der Karriereleiter nehmen. Erst als die Mannschaft sich über Neus Trainingsmethoden beschwerte und dieser Jugendkoordinator im neuen FCK-Ausbildungszentrum Fröhnerhof wurde, rückte Stumpf wieder auf.

Vergessen hat er Rehhagel diese Demütigung nicht. Doch Aufmucken ist Stumpfs Sache nie gewesen: „Ich habe schon als Spieler beim 1. FCK den Kopf hingehalten und gehörig eingesteckt: Jochbeinbrüche, Lungenrisse und den Bruch des Augenbodens.“ Das war zum Ende seiner Lauterer Zeit und machte ihn fast zum Sportinvaliden. Aber aufgeben war nie die Sache des Kämpfers, über den einst Karl-Heinz Feldkamp den Kopf schüttelte, weil er sich nicht schonen wollte und um des Erfolgs der Mannschaft willen auch seine Gesundheit riskierte.

Als der 1. FC Kaiserslautern an Stumpfs bisher einzigem echten Cheftrainer-Tag einen 0:2- Rückstand gegen Schalke 04 noch in einen 3:2-Sieg umwandelte, schwärmte Stumpf von den alten Tagen und den „alten Tugenden, als noch viele Spieler aus der Region den roten Dress trugen und sich die Zuschauer hundertprozentig mit der Mannschaft identifizierten“. Stumpf erinnerte sich an seine beste Zeit als Fußballer: „Natürlich ist das auch für die Zuschauer wichtig, dass Spieler wie Klose, Adzic, Hauck und Weidenfeller ihre Chance bekommen. Wenn sie Leistung zeigen, werden ihnen Fehler verziehen.“

Auf die jungen Spieler, die von den eigenen Amateuren kommen, hält Stumpf große Stücke, spricht von einer „gelungenen Mischung aus älteren und jungen, ausländischen und deutschen, zugekauften und einheimischen Spielern“, die ihm vorschwebt. Otto Rehhagel hat die Vorzüge eines solchen Mix nicht sehen wollen – oder können. Was Stumpf nach dessen Abgang zu dem Nachruf veranlasste, der Meistermacher habe „manchmal nicht gesehen, wer gerade geschossen hatte“. Er habe ihm dann Bericht erstatten müssen. Dieses Nachtreten brachte Stumpf allerhand Kritik ein und ließ manchen über seinen Charakter mutmaßen. Aber der „Co“ war unter Rehhagel zum Schweigen verdammt, und als der Übertrainer endlich weg war, musste sich sein Assistent erst einmal auch verbal befreien.

Andreas Brehme, der viel weniger Erfahrungen als Coach hat als „Cheftrainer“ Stumpf, dafür aber umso populärer ist und das Aushängeschild bei den Roten Teufeln gibt, hat nie in einer Mannschaft mit Stumpf gespielt, der beim 1. FC Kaiserslautern endgültig verdrängt wurde, als 1992 nach der Europameisterschaft der Schwede Jan Eriksson seinen Platz einnahm. Ob die Allianz der beiden auf Dauer hält, hängt auch vom Ehrgeiz Stumpfs ab, der ein „Durchhaltetyp“ ist. „Du darfst (dich) nie aufgeben“, lautet seine Devise – Ergebnis leidvoller eigener Erfahrungen und wundersamer Auferstehungen.

Dass nach 65 Bundesligaspielen und einem Tor für den 1. FCK noch die Stationen Galatasaray Istanbul (Meister und Pokalsieger unter Feldkamp), der 1. FC Köln, Sender Brumei in Japan (mit Pierre Littbarski) und Hannover 96 hinzukamen, grenzte fast an Hexerei. Stumpf biss sich durch, auch bei Rehhagel, und der ist jetzt weg. Doch nun sitzt ihm mit Andreas Brehme wieder so eine Überfigur des Fußballs vor der Nase. Ob’s denn jemals mehr als der „Co“ werden wird für ihn?

Bisher erschienen: Juri Schlünz (Hansa Rostock) am 5. Oktober, Michael Henke (Bayern München) am 10. Oktober, Uwe Neuhaus (Borussia Dortmund) am 24. Oktober, Manfred Kaltz (Eintracht Frankfurt) am 4. November, Peter Pacult (1860 München) am 11. November