pampuchs tagebuch
: Der Geist aus der Festplatte

„Geist ist unersetzlich“ wisperte mir der Redakteur dieser Seite zu, als ich ihn gestern in höchster Not anrief. Wie Recht er hatte – zumal er offenbar von meinem sprach. Anlass des Geprächs war mein Hilferuf, weil mir mein Windows 95 abgestürzt war und deshalb diese Kolumne Gefahr lief, nicht rechtzeitig ihren Bestimmungsort zu erreichen. In einer ebenso überhasteten wie sinnlosen Aufräumaktion hatte ich, kaum dass ich nach fünf Wochen harter Arbeit mal ein bisschen Ruhe genoss, nichts Besseres zu tun gehabt, als in einer Art rituellen Waschung meine Festplatte zu säubern. Die „Temporary Internet Files“ waren mal wieder in die Tausende gegangen, und fröhlich schickte ich sie in den Papierkorb. Desgleichen auch noch anderes – wie mir schien – temporäres Material. Niemand, nicht mal mich selbst, geht es schließlich was an, was für Blödsinn ich im Laufe der Monate im Netz aufrufe. Hinweg damit! In meinem Wahn ließ ich mich durch kleinliches Nachfragen meines Kistchens nicht beirren. Hinweg, hinweg, die Quartalsputzwut hatte mich voll erfasst. Erstaunt, aber wie immer botmäßig entrümpelte mein Laptop, was mir nur so vor die Delete-Flinte kam. Ordnung muss sein.

Sonntagabend, als ich mich zum Kolumnisieren setzte, kam der Schock: Windows wollte nicht mehr. In hässlichen MS-DOS-Lettern jammerte mein Laptop irgendwas von fehlenden Systemdateien, mühte sich dennoch immer wieder würgeartig, Windows zu laden, brach aber ständig zusammen. Schwer suizidgefährdet, schaltete er sich dabei sogar wiederholt selbsttätig einfach ab. All meine Wiederbelebungsversuche erbrachten bestenfalls irgendwelche MS-DOS-Lamentos.

Es war offensichtlich an der Zeit, einen Experten einzuschalten. Da kam mir mein jugendlicher Leihsohn E. gerade recht: Der verfügt nicht nur über profunde Computerkenntnisse, sondern ist auch in Fragen der Sinnlosig- ja Verwerflichkeit des Aufräumens die Koryphäe in unserer kleinen WG. Diese Doppelbegabung galt es zu nutzen. E. machte sich voller Tatendrang ans Werk. Nachdem es uns nicht gelingen wollte, ein neues Windows über das alte zu installieren, kam mein Experte auf die geniale Idee, in meinem Papierkorb zu stöbern – im „Trash“, wie er mit glänzenden Augen vorschlug. Dorthin hatte ich ja offensichtlich neben den temporären auch Systemdateien gepackt. E.s Plan bestand nun darin, diesen Müll (der – nomen est omen – unter „recycled“ geführt wird) nun zu durchforsten und die wertvollen Teile dann wieder zurück ins System zu kippen. Klang nicht nur überzeugend, sondern auch zutiefst ökologisch. Nie was wegschmeißen!

Nach langem Sieben und Prüfen fanden wir in meinem Wertstoffhof allerlei „VMM“-Dateien. Gerade von denen hatte mein Kistchen im Todeskampf immer wieder deliriert. Allein auch das Zurückkopieren nutzte nichts. Irgendein Treiber war bei meiner Aktion beschädigt worden. Es blieb mir nichts, ich musste meinen Laptop zu meinem Händler tragen, meine Dummheit öffentlich eingestehen, und jetzt basteln sie seit gestern daran. Ich beschwor sie, mir ja meine Daten zu retten und auch meine E-Mails und die Adresskartei und überhaupt: mir das Kistchen wieder so herzustellen, wie ich es kenne und liebe.

Dann kam der Canossa-Anruf beim Redakteur dieser Seite. Dass er mit seinem „Geist ist unersetzlich“ meine gefährdeten Werke gemeint hat, bezweifele ich inzwischen etwas. Er sagte dann noch, er könne sich vorstellen, dass VMM „Virtual Memory Manager“ bedeute. Das sei nun wirklich „Hardcore“ fügte er hinzu. Und was er damit meinte, kann ich auch nur ahnen.

THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com