„Es ist eine Ungerechtigkeit“

Aber Schönheit siegt immer, sagt Schönheitschirurg Dimitrije Panfilov. Und operierte sich selbst

taz: Sie waren auch schon in einigen Miss-Jurys. Gibt es ein einheitliches Welt-Schönheitsideal oder unterscheidet sich das Ideal unterschiedlicher Kontinente noch?

Dimitrije Panfilov: Wir beurteilen, meist unterbewusst, die Harmonie der verschiedenen Körperteile zueinander und zum Gesamtbild. Deshalb ist Schönheit eher universal. Aber wir können auch immer wieder Moden beobachten: Vor 20 Jahren haben Frauen hier sich die Lidachse schräg stellen lassen, damit sie asiatischer aussehen. In den späten 80er-Jahren habe ich dagegen in Japan gesehen, dass Frauen sich die Lider operieren lassen, um westlicher auszusehen. Ich bin aber nur ein Beobachter dieser Entwicklung, nicht ein Befürworter.

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Ich versuche mit meinem Gewissen einen Kompromiss zu schließen: Ich würde keine Operation empfehlen, wenn ich innerlich die Frage: ‚Würde ich diese Operation auch bei meinen nächsten Verwandten durchführen?‘ nicht mit einem klaren Ja beantworten könnte.

Feministinnen haben jahrelang für das Recht auf Hängebrüste gekämpft. Würden Sie das unterstützen?

Die Feministinnen haben sicherlich Recht, Sturm zu laufen. Es gibt eine britische Studie, die besagt: Die weniger attraktiven Menschen verdienen im Durchschnitt tausend Mark weniger im Monat. Fragen Sie mich nicht, ich habe diese Gehaltsskala und auch die Akzeptanz in der sozialen und professionellen, nicht nur in der emotionalen und sexuellen Konkurrenz nicht erfunden, es sind nur Erscheinungen, deren Zeuge ich bin. Schöne Schüler bekommen bessere Noten, schönere Häftlinge bekommen weniger Strafen für die gleichen Straftaten. Es ist auch eine Ungerechtigkeit, dass die Frauen immer schön und jung aussehen müssen und man den Männern ihr Leben am Gesicht ablesen darf. Das ist Chauvinismus. Sicherlich ist das ungerecht. Aber auch in der Natur, auch unter Blumen gibt es keine Gerechtigkeit. Der Schönheit den Kampf anzusagen ist von Anfang an ein aussichtsloser Kampf. Was tut man vor der Schönheit: Vor der Schönheit fällt man auf die Knie und verstummt.

Sie meinen, dem Zwang zur Perfektion kann man nicht entgehen?

Doch, natürlich. Meine Patienten sind ganz bestimmte Typen: Sie sind extrovertiert, sozial aktiv, emotional empfindlich, sehr kritisch, selbstkritisch und – perfektionistisch. Davon gibt es in der Gesamtbevölkerung vielleicht 5 Prozent, die übrigen 95 Prozent können sich in die überhaupt gar nicht hineinversetzen. Das ist eine Randgruppe, für die ich auch kämpfe. Wenn die Indikation nämlich gestimmt hat, dann blühen die hinterher richtig auf.

Wer einen dicken Hintern hat, wird glücklicher nach einer Fettabsaugung?

Nur, wenn er darunter gelitten hat.

Aber je mehr dünne Hintern herumlaufen, desto auffälliger wird man mit einem dicken Hintern. Und das macht dann vielleicht erst unglücklich!

Ein dicker Hintern allein macht nicht unglücklich und ein dünner nicht glücklich: Im Rolls-Royce weint man genauso wie im Bus, sagt Françoise Sagan. Die Schönheitschirurgie ist nur dazu da, Menschen zu helfen, die unglücklich sind. Hat man irgendwo wissenschaftlich erwiesen, dass die Operationen bei einer Minderheit der Gesellschaft die Mehrheit unglücklich gemacht hätte? Die anderen merken das doch gar nicht. Nur für die Person selbst. In meine Praxis kam eine Patientin mit einer riesigen schiefen Nase. Was wollte sie: eine winzige Asymmetrie ihrer Brüste beseitigen. Ihre Nase fand sie in Ordnung.

Was würden Sie denn an sich selber operieren?

Vor drei Jahren habe ich mein Doppelkinn vor dem Spiegel abgesaugt.

Sie haben auch gelitten?

Ein Patient machte mich darauf aufmerksam. Und dieser Floh blieb im Ohr.

Sie haben gar nicht gelitten?

Und ob. Eine bösartige Journalistin schrieb über mein „Wabbelkinn“.

Also gibt es doch Druck dadurch, dass es machbar ist. Wohin müsste sich der Trend denn entwickeln, bis Sie sagen: Das mache ich nicht mit?

Wenn alle wie Pamela Anderson aussehen wollen, dann winke ich ab. Ich versuche mehr Harmonie in die Silhouetten zu bringen. Jeder hat seine eigene Harmonie.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH