Schimmernd schwarz-weiß

■ Das Festival „verzaubert“ zeigt „Les déclassés/Ausgemustert“

Ein besonderes Abendvergnügen des Gelegenheitsjunkies Sergio in Tony Baillargeats Erstlingsfilm Les déclassés/Ausgemustert ist es, die Partys der Reichen aufzusuchen. Warum, fragt sich sein Freund Nico einmal: „Sie leben in einer Welt, wir in einer anderen. Ihr Gott trägt sicher andere Hosen als du und ich.“ Sergio erwidert: „Gott trägt Hosen in allen Farben, allen Rassen, allen sozialen Klassen“, und er glaubt daran, bis es ihm auf der Party zuviel wird, das Gewäsch und die gegenseitige Quälerei dieser „Anderen“.

Nico, gespielt vom Regisseur selbst, arbeitet für „den Normannen“, das eigentliche Zentrum des Films. Der ist Gangster der alten Schule, Philosoph und Dichter in einem. Sein größtes Problem: dass es keine richtigen Kerle mehr gibt, die Wort halten. Er liebt Männer, deren Körper von Arbeit geprägt sind, auch im Bett. Er stammt aus Le Havre, der „Wiege des Kommunismus“, wie er es nennt, „bis es die Amerikaner und Briten bei der Invasion in der Normandie zerstörten. Also wurde ich gemein, wurde zum gemeinen Gauner“ – und an Beweisen seiner Grausamkeit und der seiner Mitarbeiter spart der Film nicht: Da werden allenthalben Messer, wenn nicht Schlimmeres in Körper bebohrt, der Ton gibt Zeugnis davon, wie es klingt, wenn die Rippen im Weg sind.

Ganz so mit dem Holzhammer hätte man nicht zu erfahren brauchen, dass die historischen Niederlagen des Kommunismus – ob sie nun in der Verantwortung der Alliierten liegen oder nicht – Leute in die Kriminalität treiben. Auch hätte die feine Studentin Isabelle, die sich in zwei der Kleinkriminellen verliebt, nicht mehrfach verkünden müssen, es reize sie „das Echte“ dieser ihrer Klasse Beraubten, um ihre Haltung und mit ihr die des Bürgertums als von Projektionen geprägt zu entlarven. Doch bei aller Aufdringlichkeit seiner Statements bleibt der Film irritierend genug, um auch über seine Längen hinwegzuhelfen.

Christiane Müller-Lobeck

 heute, 18.15 Uhr, Streits