Kampf den Keimen

■ Vor hundert Jahren dachte man noch an „kosmische, atmosphärische“ Einflüsse, die Infektionen verursachen / Heute setzt man auf Alkohol – zur Desinfektion

Licht und Luft, vielleicht noch sauberes Wasser – das war schon alles, womit man vor über hundert Jahren gegen Infektionen ins Feld zog. Epidemien wie Cholera oder Pocken wurden in Bremen damals „kosmischen, atmosphärischen oder miasmatischen“ Einflüssen zugeschrieben. An Keime dachte zu der Zeit noch kaum eine Klinik. Kein Wunder, dass sich Seuchen unter der Obhut der Mediziner erst richtig ausbreiteten.

Zwar ist die Cholera längst ausgerottet. Auch Pocken machen keine Probleme mehr. Trotzdem: Die Frage „Wie krank macht das Krankenhaus?“ gilt immer noch. Gestern kamen rund 220 Hygiene-ExpertInnen im Krankenhaus Ost zusammen, um über Infektionen durch Keime und im Gegenzug über richtige Desinfektion zu diskutieren.

Aber um erst gar keine Zweifel an heutigen Standards aufkommen zu lassen, sollte das Krankenhaus immer noch besser „Gesundheitshaus“ heißen. Das meint zumindest Reinhard Holländer, Bremens Sauberkeitsexperte vom Landesuntersuchungsamt, Abteilung Allgemeine Krankenhaus-Hygiene. Denn: „Mehr als 90 Prozent aller Menschen werden dort gesund.“

Aber 90 Prozent sind eben immer noch zehn zu wenig. Und der Ansatz „Guckt nicht hin, dann findet Ihr auch keine ansteckenden Keime“ ist noch lange nicht ausgerottet. Deswegen der Hygiene-Fachtag – inzwischen der dritte seiner Art in Bremen, um die gefährlichen Mikroorganismen samt probaten Gegenmitteln ins Bewusstsein der ÄrztInnen und PflegerInnen zu zementieren, meint Mit-Organisatorin und Hyghiene-Fachkraft Heike Barck. Richtige Desinfektion heißt die Devise.

Tatsächlich wird das Qualitätsmanagement rund um die Sauberkeit im Krankenhaus immer wichtiger. In Zukunft, glaubt Holländer, wird man im Internet abfragen können, wie hoch die Infektionsrate auf der Intensivstation ist, und sich im Zweifelsfall für eine andere Klinik entscheiden, um das Restrisiko klein zu halten und um nicht zu den zehn Prozent zu gehören, die im Krankenhaus „ein zusätzliches Leid erfahren“.

Für abwehrstarke Menschen ist so ein Klinikaufenthalt in der Regel kein Problem. Für alte Leute schon eher, für Intensivpatienten erst Recht. Braucht der „Chirurg bei der Operation dann noch eine mittlere Ewigkeit“, sind Infekte vorprogrammiert, meint Holländer. Klar ist auch: Je länger Menschen am Katheter hängen, desto eher ein Harnwegs-Infekt. Patienten, die künstlich beatmet werden müssen, fangen sich schnell Pneumonie ein. Im letzten Fall bedeutet das 360.000 zusätzliche Kliniktage und Extra-Kosten von mindestens 360 Millionen Mark per annum.

Dabei sind es gerade mal eine handvoll gefährlicher Erreger. Und nur ein einziger Übertragungsweg: Die Hände, die keimverseucht am Katheter oder in Wundnähe arbeiten. „Das müsste man doch in den Griff kriegen“, meint Holländer.

Hände waschen jedenfalls reicht nicht. Von einer Million Bakterien bleiben am Ende immer noch satte 100.000 an den Fingern kleben. Die Desinfektion mit Alkohol dünnt den Bakterienstamm immerhin auf zehn Restexemplare aus. Nur: Vergessen darf man den Keim-Killer nicht. 50 mal am Tag ist inzwischen Desinfektions-Durchschnitt auf einer Intensiv-Station.

1904 dagegen sah das noch anders aus: Das Krankenhaus St. Jürgen Straße musste seine Scharlachstation wegen akuter Gesundheitsgefährdung komplett schließen. Damals hatte man die Station wegen Überbelegung seit Jahren nicht mehr desinfiziert. pipe