Brasilia grüßt den Alexanderplatz

Die vom Senat beschlossene Hochhausbebauung am Alexanderplatz erregt den Unwillen internationaler Architekten und Planer. Die Teilnehmer einer Tagung in der brasilianischen Hauptstadt fordern den Erhalt als Denkmal des DDR-Städtebaus

von UWE RADA

Für die einen ist er bloß ein Umsteigebahnhof, für die nächsten ein beliebter Einkaufsort, für andere wiederum gilt er als international bedeutendes Zeugnis des Städtebaus der Nachkiegsmoderne. Nun beschäftigt der Alexanderplatz auch 97 Architekten, Planer und Studenten aus Brasilien, Holland, Belgien, Deutschland und anderen Ländern.

In einem offenen Brief protestieren sie bei Senatsbaudirektor Hans Stimmann gegen die geplante „Zerstörung“ des Platzes. Die von Architekt Hans Kollhoff vorgesehene Hochhausbebauung bedeute eine „Übernahme eines symbolischen und öffentlichen Territoriums durch private Investoren“, begründet die in Lübeck arbeitende Planerin Maria de Betania Uchoa Cavalcanti-Brendle den Protest.

Die ungewöhnliche Einmischung geht zurück auf die nunmehr sechste Internationale Docomomo-Konferenz, die im September in Brasilia stattfand. Bei dem Treffen dieser Vereinigung zur Dokumentation und Bewahrung von Gebäuden und Ensembles des modernen Städtebaus stand auch der Alexanderplatz auf der Tagesordnung. Der sei, so das Votum der Briefunterzeichner, als bedeutendes Denkmal des DDR-Städtebaus wegen seiner Modernität sowie seiner architektonischen und städtebaulichen Geschichte, Kultur und Identität zu bewahren.

Das Thema der Konferenz in Brasilia lautete: „Die Zukunft der modernen Stadt“. Die sieht am Alexanderplatz düster aus. Kollhoff hatte 1993 den städtebaulichen Wettbewerb für das zentrale Areal in Mitte gewonnen. Sein Plan sieht den Bau von 13 Türmen mit 150 Metern Höhe vor. Das Abgeordnetenhaus übernahm dies 1999 in den Bebauungsplan. Demnach verpflichten sich die Investoren, bis zum Jahre 2004 Sockelbebauungen in einer Höhe von 30 Meter zu errichten. 2011 sollen dann die Türme in den Himmel ragen.

Zwar haben einige Investoren, darunter auch die Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft (TLG), die das Haus der Elektroindustrie gegenüber dem Forum-Hotel besitzt, inzwischen von den Hochhausplänen Abstand genommen. Andere dagegen, darunter die Interhotel-Gruppe, sind wild entschlossen zu bauen. Den Anfang dürfte freilich die Wohnungsbaugesellschaft Degewo machen, die entlang der Alexanderstraße vier Blöcke mit insgesamt 210.000 Quadratmetern Bürofläche plant. Der Kaufvertrag mit dem Land Berlin für das 1,3-Milliarden-Projekt ist bereits unterzeichnet. Der Baubeginn soll voraussichtlich im nächsten Jahr stattfinden.

Während Investoren trotz des derzeitigen Büroleerstands von 1,4 Millionen Quadratmeter noch immer an den Standort Alexanderplatz glauben, haben Anwohner von Anfang an gegen die Hochhauspläne protestiert. Auch das Bezirksamt Mitte stellte sich bis zuletzt gegen eine Manhattan-Simulation quer.