zwischen den rillen
: Böse kommt weiter: Marilyn Manson und Limp Bizkit

Baller, Mann!

Das Schöne am amerikanischen Großrock ist, dass man sich als Hörer hundertprozentig auf ihn verlassen kann. Wie gerade auf Marilyn Manson und Limp Bizkit. Deren neue Alben verkaufen sich wie sonst nichts bei HMV und Tower Records, obwohl die Musik beider Bands lang eingeführte Genres höchstens variiert: Monsterrock mit Glam- und Industrialanteilen (Marilyn Manson), Monsterrock, der gern unter der Bezeichnung „Funk-Metal-Rap-Crossover“ firmiert (Limp Bizkit). Wichtiger als die Musik aber ist sowieso das Drum und Dran. Bei Marilyn Manson die Inszenierung des Bösen, bei Limp Bizkit die Inszenierung als „the most hated band in rock“.

Marilyn Manson begannen Mitte der Neunziger mit Musik der harten und brutalstmöglichen Sorte, Industrial Rock eben – nur war der recht epigonal im Vergleich mit großen Matschbands wie Ministry und Nine Inch Nails. Spaßig war es trotzdem, denn Manson ging mit tonnenweise Schminke und Ernsthaftigkeit an die Sache ran: Antichrist, Satan, God of Fuck, Rock-’n’-Roll-Totengräber, böser Bube. Heute macht er das immer noch, nur arbeitet man sich intensiver an ihm ab. Das neue Album ist der erwartete Hammer: laut, sägend, nervend. Vielleicht ist es differenzierter als die Vorgänger – auch Manson hat mit der Zeit gelernt, Songs zu schreiben. Wenn er aber „you say you want a revolution, man, and I say you’re full of shit, we’re disposable teens, the more that you fear us, the bigger we get“, singt, würden besorgte Eltern und Lehrer ihn am liebsten in der Hölle schmoren sehen – selbst wenn er solche Zeilen als Konsumkritik versteht und auf seiner Homepage fragt: „Is adult entertaining killing our children, or is killing our children entertaining adults?“ Und wenn er aufgrund seiner Geschmacklosigkeiten und Blasphemien bevorzugt Vokabeln wie „Nihilismus“ und „Apokalypse“ ins Stammbuch geschrieben bekommt, kontert er das in Interviews mit „ursprünglichen Gefühlen“, „überall grassierender Sprachlosigkeit“ und „traurigen Zeiten im Musikbusiness“ – ein melancholischer Wertkonservativer auf dem Kreuzzug für das Wahre und Schöne.

Tja, und gegen „hohle, kalkulierte HipHop/Metal-Sounds“ hat er natürlich auch was – gegen die Musik von Limp Bizkit. Die tauchten vor drei Jahren mit einem Sound auf, der von den Chili Peppers oder Faith No More tatsächlich schon hinreichend interpretiert worden war. Doch Limp Bizkit wussten ihren Metalrap gut mit einem Image als böse, politisch völlig inkorrekte Rockband zu kombinieren. Die machten sich über George Michael lustig, stachelten das Riot-bereite Publikum 1999 in Woodstock zusätzlich an und liegen im Clinch mit allen, die Rang und Namen im Rock-Zirkus der USA haben.

Vorturner Fred Durst sagt, er sei eben ein „Redneck aus Jacksonville“, einer, der weiß, was der weiße Trash tut, sagt und denkt. Als solcher singt er auf dem neuen Limp-Bizkit-Album davon, Filme wie „Fight Club“ mindestens 28-mal gesehen zu habe. Oder, noch deutlicher: „It’s a fucked up world, a fucked up life, fucked up dreams, it’s all fucked up“ – schnell leben, schnell sterben, aber die volle Ladung Spaß: Begleitet werden solche Sendungen mit einer ordentlichen, pompös aufgeblasenen, kraftmeierischen Laut-und-Leise-Sause, die kein Stein auf dem anderen lässt und kaum einen Ausfaller hat. Gegen Limp Bizkit und ihre offensichtlich donnernde und enorm effektive Ballerei klingt Marilyn Manson geradezu tiefschichtig und verfeinert, im Vergleich zu Fred Durst ist Manson ein Sensibelchen mit Attitüde, ein Bildungsbürger mit Sendung – wer am Ende Amerikas Rock regiert, wird sich zeigen.

GERRIT BARTELS

Marilyn Manson: „Holy Wood (in the shadow of the valley of death)“ (Nothing/Interscope); Limp Bizkit: „Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water“ (Interscope/Motor)