BSE: LeserInnenrezepte für PolitikerInnen und VerbraucherInnen
: Ein Tabakopfer darbringen

betr.: „Schächtverbot gilt weiter“ u. a., „BSE als Chance für ‚Neuland‘“, taz vom 24. 11. 00, „Im Angebot: deutsches BSE“ u. a., „Pferdlein deck dich“ (Sättigungsbeilage im Magazin), taz vom 25./26. 11. 00, „Tiermehl zu Brennstoff“, taz vom 27. 11. 00, „Deutschland im BSE-Chaos“, taz vom 28. 11. 00

Wann werden die Verbraucher endlich einsehen, dass die verfehlte Agrarpolitik und der Wunsch nach immer billigeren Nahrungsmitteln die eigentlichen Ursachen der BSE-Krise sind? [...] Wir sollten alle noch heute damit beginnen, auf eine ökologische Agrar- und Ernährungskultur umzustellen – oder was gibt es sonst für Alternativen? IMMO LÜNZER, Bad Dürkheim

Während meines Landwirtschaftsstudiums arbeitete ich auch an verschiedenen Schlachthöfen (zu der Zeit wurde ich Vegetarier) und ich kann nur bestätigen, was auch im Artikel genannt wurde: Das Schächten (übrigens von allen Landwirten zu Hause seit jeher praktiziert) ist die Schlachtform, bei der Tiere (egal ob Geflügel, Schaf, Rind oder Schwein) total ruhig bleiben. Kein Schreien und vor allem nicht dieses 20 Minuten dauernde Zucken der Extremitäten. [...] Aus humanitären Gründen helfe ich daher muslimischen Freunden, einen Landwirt zu finden, der das Schächten auf seinem Hof gestattet. Ich kenne die Metzger und weiß, dass sie ihr Handwerk beherrschen. Es ist pervers, Fleisch zu fressen, und gleichzeitig alles gaaaanz human zu wollen.

WOLFGANG MOLINARI, Kiefersfelden

Dass es durch das Tiermehlverbot zu einer Eiweißlücke kommt, haben allein Bauernverband und Futtermittelindustrie zu verantworten. Heute rächt sich, dass die Lobbyisten bei den Agrarpolitikern durchsetzen konnten, dass in Deutschland als Futterpflanze nur Silomais gefördert wird. [...] Mais hat bekanntlich einen sehr niedrigen Eiweißgehalt, nur durch Ergänzung mit Soja, Tiermehl usw. ist eine ausgeglichene Futterration zu erreichen. Will Minister Funke noch einen Funken Glaubwürdigkeit behalten, muss er ab kommendem Frühjahr die eiweißhaltigen Futterarten wie Klee, Luzerne, Wiesen und Weiden genauso fördern wie den Silomais! ANDREAS REMMELBERGER, Burgkirchen

[...] Die Massenpsychologie des Pro-Fleisch-Verbrauchs gehört auf ein gesundes Maß zurückgestutzt. Nicht nur die Gesundheits- und Ernährungslehre sollte neu überdacht werden. [...] Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch übermäßigen Fleischkonsum entstanden ist, lässt sich kaum beziffern. Nimmt man all die Krankheiten zusammen, die auf übermäßigen Fleischkonsum (das ist von mir aus gesehen mehr als einmal pro Woche) zurückzuführen sind, und betrachtet man dann noch die durch Jauche und Fäkalien beeinträchtigten Grundwasserwerte und die durch Massentierhaltung verursachten Geruchs- und Krankheitsgefahren, so lässt sich ermessen, dass unbedingt eine gesellschaftliche Neubewertung erfolgen muss. [...] RUDOLF POKORRA, Wolfach

Es scheint mir nur eine Frage der Zeit zu sein, wann die Menschen ein weiteres Mal ihrer Fleischeslust frönen und auch für Pferde die Massentierhaltung möglich machen. Ich frage mich außerdem, wann die Menschen in unseren Breiten anfangen, Hunde, Katzen und andere Tiere zu essen. Es ist wohl eher an der Zeit aufzuzeigen, wo die Alternativen ohne Fleisch sind, anstatt neue Fleisch liefernde Tiere zu finden. [...] CHR. MARK, Berlin

Da ist zu lesen: „Der Deutsche Verband Tiernahrung sagte gestern, etwa 50.000 Tonnen davon (desTiermehls B.O.) stammten aus verendeten Tieren. Diese dürfen laut einem EU-Beschluss ab dem 1. März 2001 sowieso nicht mehr verfüttert werden. Sie gehen schon bisher meist in den Export nach Osteuropa.“

Tja, ohne weiteren Kommentar, einfach so: die Entsorgung dieses Sondermülls in Osteuropa scheint o.k. Wenn jetzt bald größere Mengen Tiermehl anfallen – die so genannte Dritte Welt steht als Müllkippe in vielen Köpfen wahrscheinlich schon bereit. [...]

Damit alles gut wird für alle, schlage ich eine Erweiterung von Art. 16 a Grundgesetz vor: Politisch – und vom BSE-Tiermehl – Verfolgte genießen Asylrecht ... BRIGITTE OSTMEYER, Holzgerlingen

[...] Wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, dann würde ich im Wald eigenhändig ein Tier erlegen, wenn ich Fleisch essen wollte, damit ich dem Tier, das mich ernährt, mit Respekt entgegentreten kann, damit ich ihm in die Augen sehen kann, es um Verzeihung bitten und ihm danken kann, und ich würde ein Tabakopfer darbringen.

Ich glaube, dass man nur auf diese Weise wirklich das Recht hat, ein Stück Fleisch zu essen und dass nur dann dieses Fleisch auch wirklich satt machen kann. MATTHIAS KLEIN, Saarbrücken

Wenn ein Landwirtschaftsminister einer hochindustrialisierten Massenkonsumgesellschaft, wo der Großteil des verkauften Fleisches über Supermarkttheken geht, seinen Verbrauchern sagen muss, kauft euer Fleisch beim Metzger eures Vertrauens, was eigentlich nur bedeuten kann: beim Hausschlachter, beim Erzeuger oder im Bioladen, dann ist das eine Kapitulationserklärung für die Massentierhaltung. CLAUS-UWE ERB, Garlitz

Die Konsequenz dieses nun schon so lange anhaltenden Skandals kann nur folgende sein: für den Verbraucher – Fleischkonsum ganz einstellen oder auf Biofleisch wechseln (da regelt sich der Verbrauch über den Preis), für die Politik – Subventionen für Massentierhaltung entziehen und Richtung artgerechte Haltung umverteilen. Langfristig werden alle damit besser leben. Nicht vergessen werden sollte auch die Gentechnik. Das Überschreiten der Gattungsgrenzen im Falle BSE könnte uns eines Tages noch harmlos anmuten im Gegensatz zu dem, was uns via gentechnisch veränderten Lebensmitteln noch blüht. NINA CORDA, Bremen

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.