AIDS KANN IN AFRIKA BEKÄMPFT WERDEN – ABER NUR MIT DEN REGIERUNGEN
: Es fehlt nicht nur Geld, es fehlt der Wille

Aids ist in Afrika kein reines Gesundheitsproblem. Besonders im Süden, wo vorwiegend die mittlere Generation betroffen ist, sind verheerende Folgen für Wirtschafts und Gesellschaft zu befürchten. Der UN-Sicherheitsrat hat Aids daher im Januar zu einer „Sicherheitskrise“ für das subsaharische Afrika erklärt. Der Bekämpfung der Krankheit sollte höchste Priorität zugesprochen und die Entwicklungshilfe an die Bereitschaft der afrikanischen Regierungen gekoppelt werden, Programme für die Eindämmung von HIV zu erstellen.

Davon ist heute kaum noch etwas zu spüren. Viele afrikanische Regierungen sind weit davon entfernt, Konsequenzen aus ihren Versäumnissen zu ziehen. In Südafrika beherrschte die diesjährige Welt-Aids-Konferenz vor allem der von Mbeki ausgelöste Streit, ob HIV tatsächlich Aids verursacht. Ähnlich in Simbabwe: Dort ist mindestens ein Viertel der Erwachsenen zwischen 15 und 49 Jahren HIV-infiziert. Trotzdem gilt die Aufmerksamkeit der Regierung vor allem dem Landkonflikt mit den weißen Siedlern und dem Rebellenkrieg im Kongo. Und auch in Tansania, mit einer Infektionsrate von rund 10 Prozent vergleichsweise gering betroffen, tut sich wenig. Internationaler Druck führte zwar zu spektakulären Aktionen der Regierung, doch nur auf den ersten Blick.

So ist die medizinische Behandlung für HIV-Infizierte offiziell kostenlos. Doch konkret sehen sich die Betroffenen mit der Korruption in den Krankenhäusern konfrontiert. Auch der Beschluss der Regierung, Waisenkindern, deren Eltern an Aids gestorben sind, die Schulgebühren zu erlassen, ist reine Effekthascherei. Denn die Mittelausfälle müssen die ohnehin überlasteten Schulen selbst ausgleichen. So wird der Großteil der Aidsarbeit von nichtstaatlichen Organisationen geleistet.

Dabei zeigt sich, dass auch ohne aidsspezifische Medikamente die Lebensumstände der Betroffenen nachhaltig verbessert werden können. Nicht nur wird ihnen eine unentgeltliche Behandlung opportunistischer Infektionen mit herkömmlichen Medikamenten geboten. Sie erhalten auch rechtlichen Beistand, kleinere materielle Hilfen sowie psychosoziale Beratung. Und schließlich ermöglichen Selbsthilfegruppen den Betroffenen einen offenen und selbstbestimmten Umgang mit der Krankheit. Dies alles erhöht die Lebensdauer der HIV-Infizierten: Viele leben bereits seit bis zu zehn Jahren mit dem Virus. Die Aidsarbeit hilft den Betroffenen aber auch, in ihrer Familie und mit dem Ehepartner über die Krankheit zu sprechen. So wirken die Infizierten wiederum an den Aufklärungskampagnen mit.

Die Arbeit der NGOs gilt als erfolgreich. Damit bestätigt sich die Ansicht von Unaids, dass mit nur 3 Milliarden Dollar eine Wende in Afrika herbeigeführt werden könnte. Dennoch sind den NGOs Grenzen gesetzt: Die Erfahrungen etwa aus Uganda zeigen, dass Aids letztendlich nur durch eine staatliche Offensive enttabuisiert werden kann. Dort wurde erstmals in Afrika eine offene Aidspolitik entwickelt. Die Infektionsrate sank von einst 14 Prozent auf jetzt etwa 8 Prozent.

Für solche Offensiven gäbe es durchaus auch in anderen afrikanischen Ländern die notwendigen Ressourcen – nur werden sie bisher lieber für Wahlkämpfe genutzt. Wie jüngst in Tansania: Der Werbeaufwand der Regierungspartei wirkte makaber angesichts der Tatsache, dass es bis heute keine staatliche Aufklärungskampagne zu Aids gegeben hat. Dennoch zeigte die Perfektion der Logistik, dass die Regierung durchaus in der Lage wäre, eine landesweite Aidskampagne durchzuführen: Bis in die entlegensten Dörfer wurden die Parteimitglieder mobilisiert, T-Shirts und Mützen mit Parteilogo an die Bevölkerung verteilt und hochwertige Wahlplakate des Präsidenten aufgehängt.

Diese Kritik an den afrikanischen Regierungen soll nicht bedeuten, dass nur sie bei der Aidsbekämpfung versagen. In den USA, wo die Epidemie zu einer Armutskrankheit wird, blieb Aids im Wahlkampf völlig unberührt. In Deutschland wiederum stagniert die Infektionsrate zwar, doch steigt sie überproportional bei den MigrantInnen und in den ärmeren Schichten. Darauf hat die bundesdeutsche Aidspolitik bisher nicht reagiert.

Solange die Regierungen – in Afrika, aber auch weltweit – ihre Verantwortung nicht ernst nehmen, bleiben Erfolge punktuell. HANSJÖRG DILGER

Der Autor erforscht als Ethnologe an der FU Berlin diesozialen Folgen von Aids in Afrika.