Moldova sucht Präsidenten

Heute wird ein neues Staatsoberhaupt gewählt – nicht vom Volk, sondern vom Parlament. Doch alles deutet darauf hin, dass weder der Kandidat der Kommunisten noch sein moderater Gegner die nötige Mehrheit erhalten

BERLIN taz ■ Die Republik Moldova könnte bald ohne Staatsoberhaupt dastehen. Heute wird ein neuer Präsident gewählt, und zwar nicht wie bisher vom Volk, sondern vom Parlament. Diese Verfassungsänderung, die unter anderem den ersten Mann im Staate mit rein repräsentativen Kompetenzen ausstattet, hatte das Parlament im Juli dieses Jahres durchgesetzt.

Um als Präsident gewählt zu sein, braucht ein Kandidat jetzt die Unterstützung von mindestens 61 der 101 Mitglieder des Parlaments. Doch genau da liegt das Problem. Denn weder der Chef der Kommunistischen Partei, Vladimir Voronin, noch sein Wiedersacher, der Vorsitzende des moldawischen Verfassungsgerichtes, Pavel Barbalat, können auf die nötige Mehrheit hoffen.

Der 59-jährige Voronin, der ein erklärter Kritiker der Privatisierung ist und für engere Beziehungen zu Russland eintritt, kann sich nur auf die 40 kommunistischen Abgeordneten stützen. Der sechs Jahre ältere moderate Barbalat, dessen Kandidatur die zentristische Demokratische Partei, der Demokratische Konvent und die nationalistische Volksfront unterstützen, hat bis dato 55 Stimmen sicher.

Staatspräsident Petru Luschinski, der, wie seine Amtskollegen in der Ukraine und in Weißrussland noch 1999 versucht hatte, mit einem Referendum die Vollmachten des Präsidenten auszuweiten, sieht seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Ich bezweifle, dass es dem Parlament gelingen wird, einen Präsidenten zu wählen. Vorgezogene Neuwahlen wären die vernünftigste Lösung.“ Das sieht der Parlamentssprecher, Dumitru Dyakov, anders. „Sollte es durch die Nichtwahl des Präsidenten zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen, wird das das Land in ein noch tieferes Chaos stürzen“, sagte er.

Chaos herrscht in dem 4,3-Millionen-Einwohner-Staat ohnehin. Mit einem Anteil von 92 Prozent der Bevölkerung, die mit einem Betrag von weniger als einem Dollar pro Tag auskommen muss, ist Moldova das ärmste Land Europas. Mit der Begründung, die Reformen gingen zu langsam voran, hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) Kredite im vergangenen Jahr gestoppt. Das neue Budget soll dieser Tage verabschiedet werden.

Auch das Transnistrien-Problem ist nach wie vor ungelöst. Trotz gegenteiliger Zusicherung Moskaus beim Istanbuler Gipfel der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im November 1999 sind in der abtrünnigen Republik links des Dnjestr-Ufers noch 2.600 russische Soldaten samt Waffenarsenalen stationiert.

Doch das Volk interessiert sich für Politik ohnehin wenig. Die Menschen würden gar nicht merken, dass ein Präsident gewählt würde, lästerte das Wochenblatt De-Facto. Und angesichts der Anlaufschwierigkeiten, überhaupt einen Kandidaten zu nomieren, meinte die Wochenzeitung Moldavskie Vedomsti: „Geschockt durch die US-Präsidentenwahlen, zeigen die Moldawier der Welt jetzt, dass sie auch mit den Größten konkurrieren können.“ BARBARA OERTEL