Klagen beim Kanzler

Spitzengespräch der Energiewirtschaft zu Atomkonsens und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung ohne Ergebnis

BERLIN taz ■ Doppelt unzufrieden sind derzeit die Stromkonzerne. Erstens kritisieren sie, dass sich die Bundesregierung nicht an den Atomkompromiss hält. Zweitens gefährden die Pläne zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Arbeitsplätze in herkömmlichen Kraftwerken. Das wurde im Vorfeld eines Treffens der Konzernspitzen von Eon, RWE und Ruhrgas mit dem Kanzle, Umweltminister Trittin und Wirtschaftsminister Müller deutlich. Das Gespräch am Mittwochabend selbst blieb ohne Ergenbnisse.

Die Kritik der Konzerne am Atomkonsens ist nicht unbegründet: Zwar seien ihnen Restlaufzeiten für die Atomkraftwerke vorgegeben, deren Entsorgung aber nicht geregelt. Die Entsorgungsfrage – auch die zum weiteren Betrieb notwendige – ist aber der Part, den die Bundesregierung zum Atomkonsens vom Juni beizutragen sich verpflichtet hat. Weil es etwa keine Wiederzulassung von Atommülltransporten gibt, sei eine geordnete Entsorgung derzeit nicht möglich. Die Folge: Der Betrieb des Eon-Meilers Stade ist ebenso gefährdet wie das von Energie Baden-Württemberg (EnBW) betriebene Atomkraftwerk Phillipsburg. Die Energiebosse kritisierten zudem, dass der Entwurf zur Novelle des Atomgesetzes einige Zusagen der Bundesregierung nicht mehr enthalte.

Noch mehr Bauchschmerzen bereitet den Unternehmen die von der Regierung geplante Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Bei diesem Verfahren wird die Wärme, die bei der Stromerzeugung anfällt, zum Heizen verwendet, statt zu verpuffen. Er wolle nicht drohen, versicherte Eon-Chef Hans-Dieter Harig, aber: „Wenn die Bundesregierung aber tatsächlich mit ihrem Ausbaugesetz den Anteil des KWK-Stromes bis 2010 verdoppelt, macht das bundesweit 15.000 Megawatt Kraftwerksleistungen überflüssig.“ Wie gesagt, keine Drohung: Die Bundesregierung müsse aber wissen, wie die Folgen ihrer Politik aussähen – massiver Arbeitsplatzabbau im Klartext.

Die Bundesregierung drehte den Spieß um. Es nütze nichts, wenn die Energiewirtschaft immer nur kritisiert, erklärte Regierungssprecherin Charima Reinhardt unmittelbar vor dem Treffen. „Die Energiewirtschaft steht in der Bringschuld.“ Nur wenn die Manager Alternativorschläge vorlegten, die „sowohl finanzierbar als auch klimapolitisch gleichwertig“ sind, könnten diese in die Erarbeitung des KWK-Ausbaukonzeptes einfließen.

Das das Gesetz kommt, gilt mittlerweile als sicher. Ende des Jahres sollen die Eckpunkte stehen, das Gesetzgebungsverfahren bis Sommer 2001 abgeschlossen sein. Die energiepolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen, Volker Jung (SPD) und Michaele Hustedt (Grüne), hatten in einer gemeinsamen Erklärung klar gemacht, dass der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung ein zentrales energiepolitisches Vorhaben der Regierung ist. Durch das Ausbaugesetz sollen bis 2010 etwa 23 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Ein Vorschlag der Energiewirtschaft, die KWK durch Belastung öffentlicher Haushalte zu fördern, sei weder finanzierbar noch mit dem EU-Recht kompatibel. NICK REIMER