„Mehr Pop, ja.“

■ n Produktive Neuerungen, klangliche Sehnsüchte: „Momus“, „Kreidler“ und verdeutlichte Pop-Eleganz

Auf fielen Kreidler zunächst mit einer instrumentalen Lesart jener Musik namens Postrock, die seinerzeit als heißer Scheiß gehandelt wurde. Die Vokabel ist verschwunden, nicht freilich die dazugehörigen musikalischen Entwürfe zwischen Song und Track, Elektronik und ambientös-analogem. Als Düsseldorfer hatten Kreidler überdies mit (schlicht geografisch inspirierten) Verweisen auf das Krautrock-Erbe zu schaffen. Dass sie – bei allem historischen Bewusstsein – weniger mit Kraftwerk als mit Deep House oder schlichtweg Popsongs zu tun haben wollen könnte, darauf weist die Band mit zunehmendem Nachdruck hin: Ein Statement da, dass der eklektische Spätdandy Momus auf der jetzigen Tour sowohl Support sein als auch bei Kreidler selbst seine Spuren hinterlassen wird? Doch lassen wir die Kreidler-Mitglieder Detlef Weinrich und Andreas Reihse selbst zu Wort kommen:

taz hamburg: Es ist jüngst viel von Neuerungen die Rede gewesen. Hat sich denn, etwa gegenüber dem vorletzten Album, etwas geändert?

Detlef Weinrich: Ja. Dass drei Leute das Album gemacht haben, dass die Produktionsweise eine ganz neue ist. Wir haben eine Idee davon gehabt, was wir eigentlich wollten, aber es war nicht so deutlich zu hören. Und da musste man halt jetzt was tun.

Wie würdest Du dieses eigentlich Gewollte nennen?

DW: Mehr Pop natürlich, ja.

Andreas Reihse: Ist natürlich eine Schublade. Aber darüber hat sich keiner Gedanken gemacht. Eher, was man selber wollte, mehr rauszukristallisieren, rauszuschälen.

Ich hätte mit noch mehr ...

DW: Gesang?

... Song gerechnet. Aber das gehört ja irgendwie zusammen.

AR: Es muss eine Balance haben. Wir spielen live ja nichts rein Elektronisches oder ein DJ-Set, wo es dann völlig egal ist, ob man auf der Platte einen Gastsänger hat. Sondern wo man sich ja immer über eine Präsentationsform Gedanken macht: Wie setzt man sowas auch um. Da ist eigentlich zwangsläufig, man singt selber. Und das muss man sich erst mal erarbeiten: Dass hinter einer Qualität, die man in der Musik erreicht hat, der Gesang nicht zurückbleibt und es irgendwie komisch trashig wird. Da ist es einfacher, mit eingeführten Sängern was zu machen und trotzdem noch daneben die Instrumentalsachen zu haben.

DW:Momus war geplant, da war schon länger klar, dass man mit ihm was zusammen machen wollte. Bei dem Album jetzt war das musikalisch als Basis viel einfacher und logischer, als es beim letzten gewesen wäre. Hätte er wahrscheinlich auch gekonnt. Aber so ist das schon überraschend passend und überhaupt nicht fremd. Momus geht ja auch mit auf Tour, da kommt dann hinzu, dass es wahrscheinlich nochmal zwei oder drei neue Stü-cke gibt.

DW: Wir hatten ein Problemstück, das wir live immer gespielt haben, das gerockt hat, toll aggressiv war, irgendwie ein verstörendes Stück. Da muss man zugeben, das haben wir einfach nicht hingekriegt. Das ist ein Live-Stück. Was da gefehlt hat, war irgendwas magisches, was mit dem Publikum zu tun hat, mit einer Dynamik, die live entsteht.

AR: Ja. Live spielt man die Stücke ja immer noch weiter, die werden immer nochmal anders; dass Stücke von der Platte eben nicht funktionieren oder anders funktionieren. Eigentlich will man da einen Schritt weiter gehen. Weil die Platte gibt es ja schon, da will man über dieses Reproduzieren hinaus noch was reinpacken.

Habt Ihr eigentlich irgendeine Idee, was Leute mit Eurer Musik machen? Wie Ihr rezipiert werdet? AR: Natürlich ist so eine Konzertsituation auch, wo man mitkriegt, wie die Leute reagieren; sehr unmittelbar, wenn Leute danach kommen und was erzählen. Aber wir haben auch herzergreifende e-Mails gekriegt, aus Amerika zum Beispiel. Wo jemand die Platte gekauft hat und dem kamen die Tränen. Der schreibt dann, was alles passiert ist, während er die Platte gehört hat und zur U-Bahn gegangen ist ...

DW: Und dass die Platte für ihn gewesen wäre, als hätte er einen verlorenen Bruder wiedergefunden. Echt unglaublich. Das scheinbar tröstende Element der Musik, dieser Sehnsuchtscharakter wird sehr oft erwähnt. Worauf man auch stolz sein kann. Wenn es Sehnsucht befriedigt und neue auslöst, sie wieder befriedigt und so weiter, dann ist das ein tolles Kompliment.

Legt Ihr es darauf an?

DW: Ja klar. Sehnsucht? Wissen wir, wie das geht.

Interview: Alexander Diehl

heute, 21 Uhr, Westwerk,im Vorprogramm: Momus