zahl der woche
: Offener Markt könnte Entwicklungshilfe ersetzen

Handel statt Hilfe

Handel statt Hilfe – unter Entwicklungsverbänden ist der Slogan längst ein Gemeinplatz. Und in den Zeiten knapper Kassen und sparender Finanzminister gewinnt die Idee auch unter Politikern an Sympathie.

In der Theorie sind heute alle für freien Handel, in der Praxis nur dann, wenn die eigenen Produkte ausgenommen sind. Da hätte man, bitte schön, nicht so gerne allzu viel Wettbewerb. Bestes Beispiel: die europäischen Bauern. Erfolgreich haben sie sich bis jetzt für die Abschottung ihrer Märkte eingesetzt. Schätzungsweise 40 Milliarden Dollar entgehen den Entwicklungsländern, weil sie ihre Produkte nicht nach Belieben in die Europäische Union exportieren dürfen. Zölle und zollähnliche Vorschriften, etwa über Form und Größe der EU-kompatiblen Bananen, halten sie davon ab. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul fordert deshalb schon lange, die Union solle ihren Agrarmarkt öffnen. EU-Kommission und Bundesregierung wollen nun den freien Marktzugang für die 48 ärmsten Länder.

Nicht besonders erfreut über diese Initiative sind die AKP-Staaten. Denn für die Ex-Kolonien Frankreichs und Englands in Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum, gelten Ausnahmen. Tritt die neue Regelung in Kraft, würde das die Konkurrenz verschärfen. Allerdings sieht der Vorschlag der Kommission Übergangsregeln für besonders heiß umkämpfte Produkte wie Bananen, Reis und Zucker vor.

Weltbankdirektor James Wolfensohn lobte hingegen den EU-Vorschlag. Der Ertrag aus dem Agrarhandel der Entwicklungsländer sei fast so hoch wie die Summe, die alle Industrieländer zusammen an Entwicklungshilfe leisten. Und dort geht der Trend ohnehin zu weniger Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit.

Handel statt Hilfe, dieser Slogan in Ehren. Aber die Zielgruppe von Entwicklungshilfe, die Armen, wird von mehr Handel nur dann profitieren, wenn der neue Wohlstand tatsächlich nach unten „durchsickert“, wie es in der Theorie immer so schön heißt. In der Praxis hapert es damit, leider.

KATHARINA KOUFEN