Die Bauern tragen die Kosten

Um 10 bis 20 Prozent steigen die Preise für Futtermittel. Statt Tiermehl wird etwa Soja eingesetzt, und die ist teuer – wegen des schwachen Euro und der starken Nachfrage. Einheimische Ölpflanzen könnten nächstes Jahr die „Eiweißlücke“ schließen

von GERHARD DILGER
und THOMAS STROHM

Das Mitleid mit der Futtermittelindustrie hält sich beim Greenpeace-Agrarexperten Martin Hofstetter in Grenzen: „Die Bauern haben die Verluste.“ Denn die Hersteller der Tiernahrung geben nach seiner Einschätzung die Kosten, die ihnen wegen des heute in Kraft tretenden Verfütterungsverbots von Tiermehl entstehen, in voller Höhe an die Landwirte weiter.

Kosten in „hoher zweistelliger Millionenhöhe“ sieht Prokurist Joachim Dunkenberger vom größten deutschen Futtermittelhersteller Deuka in Düsseldorf durch das Verbot auf sein Unternehmen zukommen. Schließlich können die Lagerbestände nicht mehr verkauft werden, und die Produktion muss umgestellt werden. Die Deuka-Produkte würden sich deshalb um 10 bis 20 Prozent verteuern, so Dunkenberger. Und ob der Verbraucher teureres Fleisch akzeptiere, bleibe abzuwarten, meint Michael Lohse, Sprecher des Deutschen Bauernverbands.

Die Tiermehlproteine in den Futtermitteln durch pflanzliche Eiweiße zu ersetzen, beispielsweise aus Soja, Bohnen oder Lupinen, sei aber „kein Problem“, so Greenpeace-Experte Hofstetter. Die dafür bisher eingesetzte Menge an Tiermehl sei nämlich sehr gering gewesen.

Während Tiermehl infolge der BSE-Diskussion jedoch immer billiger wurde, waren bei Soja in den vergangenen zwölf Monaten erhebliche Preissteigerungen zu verzeichnen – schuld ist der schwache Euro, denn Soja wird in Dollar gehandelt. Die europäische Abhängigkeit von Importen pflanzlicher Eiweißträger wie Soja in die EU sei politisch bedingt, erklärt Hofstetter: Im „Blair-House-Abkommen“ habe die EU den USA zugesagt, nur bestimmte Mengen an Ölpflanzen wie Raps anzubauen. Die 1992 geschlossene Vereinbarung läuft aber im nächsten Jahr aus. Dann könne die „Eiweißlücke“, die bei pflanzlichen Proteinen in der EU bestehe, problemlos geschlossen werden: Auf den derzeit stillgelegten Flächen könnten dann etwa Raps, Erbsen oder Bohnen angebaut werden. Außerdem könnten diese an die Stelle von sowieso zu viel produziertem Getreide treten. Aber auch die Überproduktion von Fleisch kann schlicht verringert werden.

Bis dahin ist man allerdings auf Importe angewiesen: Soja stammt vor allem aus Brasilien, Argentinien und den USA. César Borges de Sousa, Präsident des brasilianischen Soja-Dachverbands Abiove, weist darauf hin, dass die Sojapreise in den letzten zwei Wochen schon um 10 Prozent gestiegen sind.

Anders als in Argentinien ist der Anbau von gentechnisch veränderter Soja in Brasilien untersagt – noch. Die Regierung ist für die Freigabe, doch über die Klagen von Verbraucher- und Umweltverbänden befinden noch die Gerichte. „Wir haben in dieser Frage eine pragmatische Haltung“, sagt Borges de Souza. „Wenn die Verbraucher in Europa dies wünschen, liefern wir gerne genfreie Soja.“ Doch Gensoja, etwa aus Argentinien, sei rund 15 Prozent billiger als brasilianische Soja. Solange europäische Importeure nicht bereit sind, für genfreie Soja mehr zu bezahlen, möchten in Brasilien viele Großbauern auf Gensoja umsteigen. João Pedro Stedile von der Landlosenbewegung MST wünscht sich, dass die EU bei den künftigen Viehfutterimporten auf genfreiem Sojaschrot besteht. Er fürchtet jedoch, dass die brasilianische Landwirtschaft noch exportlastiger wird. „Die Regierung wird steigende Sojaexporte als Bestätigung für ihre Unterstützung des Agrobusiness sehen“, sagt Stedile. „Wir dagegen meinen, dass viel mehr für den internen Markt, für das brasilianische Volk, angebaut werden muss.“