CDU verliert einige Millionen

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse legt die Rechenschaftsberichte der Parteien für 1999 vor. Wegen ihrer Spendenpraxis erhält die Union 7,7 Millionen Mark weniger, als ihr gesetzlich zustünde. Novellierung des Parteiengesetzes angeregt

von SEVERIN WEILAND

Wegen ihrer Spendenpraxis wird die CDU in diesem Jahr deutlich weniger an staatlichen Mitteln aus der Parteienfinanzierung erhalten, als ihr gesetzlich zustünde. Ingesamt werden ihr 7,7 Millionen Mark von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) abgezogen. Grundlage für das gestern von Thierse bekannt gegebene Strafgeld sind mehrere Verstöße der CDU gegen das Parteiengesetz. Im Einzelnen sind dies: die Spenden in Höhe von rund 2,1 Millionen Mark, die Helmut Kohl als Parteivorsitzender von 1993 bis 1998 sammelte. Er weigert sich bislang, die Spendernamen zu nennen.

In diesem Fall sieht das Parteiengesetz ein Strafe in doppelter Höhe, also rund 4,3 Millionen Mark, vor. Hinzu kommt ein Strafgeld von 3,4 Millionen Mark, dem folgende Vergehen zugrunde liegen: eine Spende von 1 Million Mark, die der Waffenhändler Karlheinz Schreiber 1991 an den damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergab; 100.000 Mark von Schreiber, die 1994 an den ehemaligen CDU-Chef Wolfgang Schäuble oder die damalige Schatzmeisterin Brigitte Baumeister flossen, sowie neben einer nicht deklarierten Spende von 20.000 Mark auch eine Überweisung von 600.000 Mark der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an die Partei.

CDU-Generalsekretär Lorenz Meyer bewertete den Bescheid gestern als Grundlage für die weitere Finanzplanung seiner Partei. Ob gegen die von Thierse verhängte 3,4-Millionen-Mark-Strafe Klage erhoben wird, wolle die Partei „möglichst kurzfristig“ entscheiden.

Keine Sanktionen verhängte Thierse vorerst wegen weiterer 10 Millionen Mark, die zwischen 1989 und 1992 von Schwarzgeldkonten in der Schweiz und aus Kohls Spendensammlung an die CDU flossen. Hier sei weder die Herkunft der Gelder noch deren Zusammensetzung zweifelsfrei nachzuweisen. Dies verlange aber das Parteiengesetz, betonte Thierse. „Eine bloße Vermutung reicht nicht aus.“

Die bereits früher gegen die hessische CDU verhängte Strafe von 41 Millionen Mark fand wegen der Klage der CDU vor dem Verwaltungsgericht Berlin bislang keine Berücksichtigung.

Neben der CDU erhalten in diesem Jahr die SPD 79,9 Millionen, die CSU 13,9 Millionen, die Grünen 13,5 Millionen, die FDP 12,3 Millionen und die PDS 11,9 Millionen Mark an staatlichen Zuschüssen.

Der Bundestagspräsident forderte eine Überprüfung des Parteiengesetzes. Ausdrücklich bezog Thierse die jüngsten Vorwürfe der CDU über die SPD-Beteiligungen an Medienunternehmen ein. Hierzu enthalte das Gesetz keine „bindende Festlegung“ – weder was den Anschaffungswert noch den Verkehrswert angehe. Ungekärt sei auch, welche Einnahmen mit welchen Ausgaben verrechnet werden können.

Diese Praxis war der SPD am Donnerstag im Spendenuntersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dem Erwerb des Willy-Brandt-Hauses in Berlin vorgehalten worden. Die SPD hatte 1998 Gewinne aus Vermögensbeteiligungen mit Verlusten aus dem Betrieb der Parteizentrale verrechnet. Die Folge war, dass im SPD-Rechenschaftsbericht deutlich geringere Vermögensgewinne auftauchten. Reformbedarf sieht Thierse auch bei der Spendenpraxis von kommunalen Landes- oder Bundesunternehmen. Ebenso müsse die Praxis der Stückelung von Großspenden geprüft werden, vor allem im Verhältnis der Konzerne und ihrer Tochterfirmen. Tätig wird Thierse demnächst gegenüber seiner eigenen Partei. Denn SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat seine Mitgliedschaft in einem so genannten Treuhand-Aufsichsrat nicht im Handbuch des Bundestages aufgelistet. Das achtköpfige Gremium agiert zwischen SPD-Vorstand und parteieigenem Unternehmensbereich. Ob Müntefering zur Selbstanzeige verpflichtet gewesen wäre, soll nun geprüft werden. Dies sei einer der „Grenzfälle“, so Thierse. Die Verhaltensregeln für Abgeordnete sehen allerdings klare Bestimmungen vor: Tätigkeiten „als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Beirats oder sonstiger Gremien“ sind dem Bundestagspräsidenten „schriftlich anzuzeigen“.