dubliner müssen zu hause bleiben von RALF SOTSCHECK
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Der Mensch ist nicht gern alleine. Das gilt auch für Dublins Busfahrer. Der sporadische öffentliche Nahverkehr in Irlands Hauptstadt sollte verbessert werden, versprachen die Verkehrsplaner und führten „quality bus corridors“ ein: Busspuren, auf denen die Doppeldecker alle zehn Minuten ins Zentrum flitzen sollten. Das funktioniert aber nur in der Theorie. Weil die Fahrer gesellig sind, machen sie an der Endhaltestelle gemeinsam Pause, teilen Tee und belegte Brote – und fahren dann gemeinsam los. So begegnet einem plötzlich eine ganze Flotte von Bussen, doch dann herrscht für eine Dreiviertelstunde Flaute. Und ab halb zwölf Uhr nachts geht gar nichts mehr, daran haben auch die im Sommer eingeführten längeren Kneipenöffnungszeiten nichts geändert.

Wer es eilig hat, ist auf Taxis angewiesen, und das ist fatal. Es gibt nämlich so gut wie keine. Dublin hat gerade mal 2.700 Taxis, in Madrid sind es zum Beispiel 15.000. Wer abends in die Innenstadt will, muss gut vorplanen. Die meisten Gespräche drehen sich in den Restaurants und Kneipen daher um die beste Taktik, damit man irgendwie nach Hause gelangt. Früh ausgehen und vor Mitternacht heimkehren? Dann muss man vielleicht nur eine Stunde auf eine Droschke warten. Nach Mitternacht kommt man unter drei, vier Stunden nicht weg. Selbstverständlich könnte man sich mit anderen zusammentun und auslosen, wer nüchtern bleiben und fahren muss, aber wer will schon den Abend mit jemandem verbringen, der mit langem Gesicht vor seinem Mineralwasser sitzt. Die Situation wird immer bedrohlicher, denn ab jetzt setzt der Büroweihnachtspartywahn ein.

Die Regierung wollte Abhilfe schaffen und die Zahl der Taxilizenzen verdoppeln. Doch die Taxilobby ist stark. Jede Lizenz ist bis zu 200.000 Mark wert. Bei einer Verdoppelung sinkt der Marktwert, und dagegen laufen die Fahrer Sturm. Um sie zu beschwichtigen, wollte die Regierung die neuen Lizenzen einfach an die bisherigen Lizenzhalter verteilen, doch das Gericht machte einen Strich durch diese Rechnung.

Seitdem streiken die Taxifahrer. Dublin, selbst zu normalen Zeiten völlig verstopft, versinkt im Chaos, zumal es die Kutscher nicht bei ihrem Streik belassen, sondern Innenstadt und Flughafen blockieren. Die Busse lassen die Fluggäste in spe an der Autobahn aussteigen, die letzten Kilometer müssen sie sich zu Fuß durchschlagen. Wer zu spät kommt, wird von den Fluglinien gnadenlos zur Kasse gebeten.

Die Regierung hat vorgeschlagen, dass die Taxifahrer das Geld für ihre teuren Lizenzen von der Steuer absetzen können, doch das traf auf Hohngelächter der Betroffenen: Sie zahlen ohnehin so wenig Steuern, dass sie die Lizenzen in hundert Jahren noch abschreiben würden. Tommy Gorman, der Sprecher des Taxiverbands, warnte davor, die neuen Lizenzen an Wildfremde zu vergeben: „Die Leute werden es bereuen, wenn ihre Söhne und Töchter im Teenageralter auf dem Nachhauseweg vergewaltigt werden.“ Ja, um Himmels willen! Sollen die neuen Lizenzen etwa unter Sexualstraftätern verteilt werden?