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: Vorfelder ist raus, hat dem VfB Stuttgart aber jede Menge Mayer hinterlassen

Ein Freibrief zur Narrheit

Früher, da hatten es die Fans des VfB Stuttgart recht einfach, ihren Unmut kundzutun: „Vorfelder raus“, hallte es bei sportlicher Misere durchs Neckarstadion. Heute, mangels klarem Feindbild und trotz Darbens auf einem Abstiegsplatz, sind die „Rangnick raus“-Krakeeler in der Minderheit. Wenn Fonstärke Aufschluss gibt über die Zuordnung der Verantwortung für den sportiven Niedergang, dann erweisen sich die Stuttgarter Fans weniger als emotionsgeladene Frustabbauer denn als scharfsinnige Analysten der Lage beim Verein für Bewegungsspiele.

In der Tat ist seit einigen Wochen „Vorfelder raus“ beim VfB, doch den „Mayer“ hat der einstige Gutsherr vom Wasen auf unbestimmte Zeit in Stuttgart gelassen. Will sagen: Wer Gründe für den Abstieg in die (noch erstklassige) Bedeutungslosigkeit sucht, findet immer wieder den Namen Mayer-Vorfelder. Was „Vorfelder“ an „Mayer“ hinterlassen hat, ist eine schier unerträgliche Hypothek: 30 Millionen Mark Schulden sind das Ergebnis jahrelanger Misswirtschaft des einstigen Finanzministers von Baden-Württemberg. Der VfB lebt nur noch auf Pump – bei Banken und dem Rechteverwerter ISPR. Die häufigen Trainerwechsel (mit dem Rekord von vieren in einer Saison) und eine konzeptfreie Transferpolitik (Millionenschwere Spielerkäufe per Video-Augenschein) hat Mayer-Vorfelder zu verantworten.

Hinzu kommt, dass MV eine wahnwitzige Gehaltspolitik betrieb – immer zum Wohle des Spielers, versteht sich. Erst jüngst, in der Affäre um Krassimir Balakow, kamen Vertragsdetails zum Vorschein, die der neue VfB-Chef Manfred Haas mit den Worten begleitete: „Das ist nicht der Mustervertrag des VfB.“ Als die Verantwortlichen eine Kündigung des Bulgaren prüften, mussten sie feststellen: rechtlich unmöglich. Auch hatte MV Balakows Höchststrafe auf schlappe 5.000 Mark festgeschrieben. Ein Freibrief zur Narrheit. Und da frage noch einer, warum Balakow gegen den Trainer intrigieren (bei Löw), eine Mannschaftssitzung verlassen (bei Schäfer) und den Trainer mit den Worten „Leck mich am Arsch“ beschimpfen kann (bei Rangnick).

Mit all den Erblasten muss der VfB Stuttgart jetzt mehr schlecht als recht leben. Mayer-Vorfelder muss es nicht mehr. Noch vor kurzem besaß dieser die Chuzpe, sich selbst als „Glücksfall für den Verein“ zu bezeichnen. So viel Selbstüberschätzung des Kandidaten für das DFB-Präsidentenamt müsste eigentlich bestraft werden. Der DFB jedoch hat die Bewerbungsunterlagen seines künftigen Vorstehers ja bekanntlich nicht eingefordert – Mayer-Vorfelder würde vermutlich unbesehen durchfallen. THILO KNOTT