Der Leberknödel ist geplatzt

Pünktlich zur alljährlichen Bayer-Vernaschung besinnen sich die Münchner Bayern auf ihre bajuwarischen Tugenden und lassen Bertis Leverkusener beim 2:0 noch glimpflich davonkommen

aus München THOMAS PAMPUCH

Eine neue ewige Fußballweisheit ist zu verzeichnen: „Das Tor ist in der Mitte.“ Das hat Franz Beckenbauer vor wenigen Tagen erkannt und nicht nur seiner Mannschaft, sondern auch der staunenden Öffentlichkeit mitgeteilt. Beim Spitzenspiel gegen Leverkusen am Samstagabend vor 48.000 fröhlich frierenden Zuschauern im Münchner Olympiastadion wussten die in letzter Zeit etwas orientierungslos gewordenen Millionarios also, wo’s lang und wo’s hinzugehen hatte.

Auch Uli Hoeneß hatte es mit der Mitte. Vor dem Spiel traf er sich nämlich mit Bayer-Manager Reiner Calmund, mit dem er noch vor einiger Zeit nie mehr ein Wort reden wollte. Und dabei muss er sich mit dem Dicken irgendwo in der Mitte zwischen Koks und Verleumdung getroffen haben, jedenfalls sind die beiden jetzt wieder online. Wurde auch langsam langweilig, das ewige Daumtheater.

Berti Vogts seinerseits träumte davon, endlich mal die Bayern zu Hause zu schlagen, was er als Spieler mit Mönchengladbach nie geschafft hat. Die Voraussetzungen, es nun als Trainer zu schaffen, waren nicht schlecht: Schließlich lag Leverkusen als Spitzenreiter mit fünf Punkten vor den durchaus angeknacksten Bayern. An Motivation seiner Truppe hätte es auch nicht fehlen sollen, denn ebendiese Bayern haben den Leverkusenern in der letzten Saison noch ganz zum Schluss die Meisterschaft stibitzt. Und so was tut weher als eine Haaranalyse.

Nicht dass Beckenbauer unrecht hätte, aber was Leverkusen an diesem Abend wirklich das Genick brach, war die Tatsache, dass das Tor am Anfang war. Und zwar einmal in der ersten und einmal in der zweiten Halbzeit. Der frische Glühwein im Publikum dampfte noch, als Effenberg in der 5. Minute Jancker mit einem dieser schnellen, intuitiven Pässe, die eine ganze Hintermannschaft aushebeln, auf den Weg dorthin schickte, wo der Kaiser das Tor verortet hatte. Jancker lief bis in den Strafraum und schlenzte den Ball wunderschön mit links über den verdutzten Matysek. Es war keineswegs ein „dummes Tor“, wie Berti Vogts später meinte, höchstens im höheren Sinne von „dumm gelaufen“ – für Leverkusen. Denn – wieder O-Ton Vogts – „danach waren wir chancenlos.“

Da hat er nun leider recht. Was immer seine Mannen versuchten – und es war nicht eben viel –, es klappte nicht. „Wir waren mutlos und wurden überrannt.“ Die Bayern hingegen spielten auf, als sei endlich der Leberknödel geplatzt, der ihnen seit Wochen Hirn und Waden verstopft hatte. Sie liefen und spielten und schossen, was das Zeug hielt. Jancker, den sie immer noch den „Fußballgott“ rufen, hatte zwei weitere große Chancen. Effenberg brach machtvoll durch, desgleichen Sforza, und auch Elber – immer ein Genuss – spielte sich anmutig warm.

Als Berti seine Jungs dann in der Pause wachrütteln wollte, muss er aus Versehen Schlaftabletten verteilt haben. Kaum war die zweite Halbzeit angepfiffen, da tanzten Sergio und Elber durch eine Bayer-Hintermannschaft, die dabei zuguckte, als sei der Karneval von Rio in eine Meditationsgruppe eingebrochen.

Das Spiel war gelaufen. Zumal Schiedsrichter Krug in der 52. Minute den für den in der 27. Minute verletzten Ballack (er wird in der Hinrunde wohl nicht mehr spielen) eingewechselten Robson Ponte wegen einer Tätlichkeit vom Platz stellte. Sein Opfer Jeremies zeigte dabei wieder einmal sein dramatisches Talent. Überhaupt ging es manchmal recht ruppig zu (6 gelbe Karten). Dabei hätten das zumindest die Bayern nicht nötig gehabt. Sie machten mit den demoralisierten Leverkusenern, was sie wollten, und hatten in der zweiten Halbzeit noch zehn gute Chancen. Leverkusen dagegen gerade mal eine, die Kahn vereitelte.

Man muss die Bayern nicht lieben, aber an diesem Abend waren sie ihr Geld wert. Unter Psychodruck sind sie am besten. Ansonsten ist der Ball rund, das Tor in der Mitte und der nächste Gegner der schwerste. Der heißt für Bayern – am Dienstag – Arsenal London und kocht auch nur mit Wasser. Aber hoffentlich mit etwas heißerem.

Bayern München: Kahn - Kuffour, Sforza, Linke - Sagnol, Jeremies (69. Fink), Effenberg, Tarnat - Sergio, Jancker (67. Scholl), Elber (81. Zickler) Bayer Leverkusen: Matysek - Reeb (75. Ojigwe), Zivkovic, Nowotny, Kovac - Neuville, Ballack (27. Ponte), Ramelow, Vranjes, Zé Roberto - Kirsten (75. Rink)Zuschauer: 48.000; Tore: 1:0 Jancker (5.), 2:0 Elber (48.); Rote Karte: Ponte (52.) wegen Tätlichkeit